Die Braut des Kreuzfahrers
zugeschnittene Kleider, die vermutlich bei irgendeinem Trödler erworben worden waren. Die Alte hatte lange, dürre Finger, doch sie verstand ihr Handwerk. Sie kämmte ihnen das Haar, schmierte ihre Gesichter mit einem nach Rosen duftenden Talg ein und schminkte ihnen die Augen mit Kohle. So verschönt wurden sie dem Händler vorgestellt, der zufrieden nickte und sie die Stufen des Holzpodestes hinaufstieß.
Wie zum Hohn riss in diesem Augenblick die Wolkendecke auf, und über den Dächern und Türmen leuchteten die bewaldeten Hügel in der Ferne wie eine Vision von Glück und Freiheit. Tiessa stand neben den anderen Frauen auf einem umzäumten hölzernen Aufbau, gut zehn Ellen über dem Erdboden, allen Blicken preisgegeben, zum Kauf ausgestellt wie eine Ware. Unten bewegten sich die verschiedensten Kopfbedeckungen, weiße und farbige Turbane, rote bestickte Kappen, abgegriffene Mützen, helle, wehende Tücher, die mit einem Reif um die Stirn festgehalten wurden. Dunkle und helle, schmale und runde, von buschigen Brauen überschattete Augen sahen zu ihr hinauf. Augenpaare, die gierig blickten, solche, die sie abschätzten, andere, die gleichgültig über sie hinwegflogen. Sie sah aufgerissene Münder, in denen die fehlenden Zähne wie schwarze Löcher erschienen, graue und dunkle Schnurrbärte, gestikulierende Hände, gereckte Fäuste …
Sie spürte, wie ihr von dem Gewimmel schwindelig wurde, und schloss für einen Moment die Augen. Man befahl ihre Gefährtin vom Podest herunter, weil ein Käufer sie untersuchen wollte. Zu diesem Zweck führte er sie in das Zelt zu der Alten mit den dürren Fingern. Nach einer Weile kamen beide wieder heraus, und die junge Frau bestieg erneut das Podest – der Käufer hatte sich mit dem Händler nicht über den Preis einigen können. Dieser Vorgang wiederholte sich häufig, mal wurde die eine, mal die andere Sklavin ins Zelt befohlen, keiner war bereit, die Katze im Sack zu kaufen. Auch an Tiessa ging dieser Kelch nicht vorüber. Sie war eine Fränkin, und schon aus diesem Grund hatte so mancher Lust, ihren Körper genaustens zu betrachten.
Nichts blieb den lüsternen, prüfenden Augen verborgen. Sie hatte das Gewand zu öffnen, damit der Käufer ihre Brüste taxieren konnte, sie musste das Kleid anheben und sich von den kalten oder auch heißen Fingern der Kauflustigen betasten lassen. Bei all diesen Untersuchungen passte die Alte scharf auf, dass keine Unzüchtigkeiten begangen wurden. Der Käufer durfte besehen und befühlen, ihm war jedoch nicht erlaubt, sich mit der Sklavin Befriedigung zu verschaffen.
Wie viele Stunden dauerte die Folter nun schon an? Tiessa spürte ihren Körper kaum noch, sie war abgestumpft, stieg wie in Trance die Stufen vom Podest hinunter, um ins Zelt zu gehen und aufs Neue schamlos befingert zu werden. Ihre Gefährtin war längst verhandelt, auch die anderen Frauen hatten, bis auf eine schmale, ältere Frau, neue Besitzer gefunden. Der Abend nahte, und Tiessa war so erschöpft, dass sie nur hoffte, endlich von hier fortzukommen, ganz gleich wie und mit wem.
Wenigstens diesen einen Wunsch wollte das Schicksal ihr erfüllen. Der Händler hatte viele Kaufwillige abgewiesen, da er für die schöne Fränkin einen besonders hohen Preis zu erzielen hoffte, nun aber, gegen Abend, ereilte ihn sein Unglück. Der Kunde, der jetzt zu ihm trat und ein Angebot machte, war ein hochgewachsener, dünner Mensch mittleren Alters, der Tiessa auf skurrile Weise an einen Storch erinnerte. Es musste an seinem langen Hals und dem ungewöhnlich kleinen Kopf liegen, vielleicht auch an der roten Pumphose unter dem weißen Gewandrock. Trotz dieses eigenartigen Äußeren schien dieser Mann über einen gewissen Einfluss zu verfügen, Tiessa bemerkte, wie der Händler sich wand und verzweifelte Blicke zum Himmel hinaufwarf. War dieser Storch so mächtig, dass man sich seinem Wunsch fügen musste? Zumindest war er seltsam, denn er schloss den Handel ab, ohne die fränkische Sklavin ins Zelt geführt zu haben. Stattdessen trat er dicht an das Podest heran, umfasste das Geländer mit beiden Händen und blinzelte zu ihr hinauf.
» Woher kommst du? «
Er sprach fränkisch, es klang sogar heimatlich, als käme er aus Frankreich. Jetzt sah sie auch, dass sein Bart rötlich und seine Augen blau waren.
» Ich komme aus dem Perche. Aus Nogent-le-Rotrou. «
» Verstehst du etwas von Heilpflanzen? «
» Von Heilpflanzen? Ja, gewiss. Meine Mutter hat es mich gelehrt. «
Er kniff die
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