Die Braut des Kreuzfahrers
konnten. Ohne viel Umschweife griff einer der Karawanenführer nun die neu erworbene Sklavin beim Arm und band ihre Hände vor dem Körper zusammen. Dann machte er sich daran, auch ihre Füße zu fesseln, und sie hörte ihn fluchen, da ihre Stiefel ihm dabei hinderlich waren. Sie leistete keine Gegenwehr – was hätte es ihr genützt? Der Hof war voller Menschen, jeder Versuch zu fliehen hätte ihr nur eine schmerzhafte Begegnung mit der Peitsche des Sklavenhändlers eingetragen.
Niemand schien ihr Fortgehen zu bedauern. Die Mägde und Knechte gingen ihrer gewohnten Arbeit nach, Fatima und die Frauen zeigten sich nicht, vermutlich hingen sie irgendwo an einer Fensteröffnung, um mitanzusehen, wie die besiegte Rivalin das Feld räumte. Einzig der Hofhund sprang an Tiessa hoch und leckte ihr die gefesselten Hände, wofür er einen Fußtritt von dem Glatzköpfigen bekam.
Kaum vier Wochen hatte das Wohlleben gedauert, die angenehme Wärme im Frauengemach, die schönen Gewänder, das gute Essen und vor allem die Macht, die ihr Mehmeds Leidenschaft über alle Bewohner der Burg gegeben hatte. Die Diener, die sie geprügelt und festgebunden hatten, warfen sich demütig vor ihr auf den Boden, und auf das Heben einer Augenbraue sprang jeder von ihnen herbei, um ihre Wünsche zu erfüllen. Die alte Fatima hatte keine Gewalt mehr über sie, Budur und Sitha begegneten ihr mit Sanftmut und grüßten sie mit einem Lächeln. Wie dumm sie gewesen war. Ahnungslos hatte sie sich in Sicherheit gewiegt und schon überlegt, wie sie Mehmed dazu überreden könnte, mit ihr an die Küste zu reisen, wo sie ihm dann entwischen wollte. Seine Mutter war schneller gewesen, sie kannte Mehmed von klein auf und wusste genau, wie sie ihn dazu brachte, ihren Willen zu tun. Fatima hatte das Spiel gewonnen.
Die Karawane hatte es nicht eilig, Damaskus zu erreichen. Man besuchte verschiedene Handelsplätze, kehrte in den kleinen Festungen ein, ließ sich bewirten, und überall wurden Waren umgeschlagen. Selim, der Karawanenführer, trug eine Menge Goldmünzen in seinem Gürtel. Er und seine Begleiter waren nicht nur mit Peitschen, sondern auch mit krummen Säbeln und Dolchen ausgerüstet, und Tiessa war klar, dass diese Männer ihre Waffen zu gebrauchen wussten. Die Karawane reiste mit Vorsicht, hinter jeder Wegbiegung konnten Räuber lauern, die es auf Geld und Güter abgesehen hatten. Vor allem die Sklaven, die eine wertvolle Ware darstellten, wurden streng bewacht. Am Abend stellte man ein Zelt für sie auf und band sie fest aneinander, damit keiner von ihnen auf die Idee kam, die Flucht zu wagen. Drei der vier Unglücklichen waren junge Burschen von dunkler Hautfarbe, deren Sprache auch die arabischen Sklavenhändler nicht verstanden, der vierte war ein alter Mann. Erst nach Tagen begriff Tiessa, dass er der Großvater der jungen Frau war, die ihr Schicksal teilte. Die beiden sprachen nur flüsternd miteinander. Sie schienen bessere Zeiten gesehen zu haben, doch auf Tiessas schüchterne Versuche, mit ihnen ins Gespräch zu kommen, gaben sie keine Antwort. Vielleicht misstrauten sie ihr, weil sie eine Fränkin war. Bald war Tiessa so erschöpft, dass ihr alles gleichgültig war. Stumpfsinnig ging sie über Stock und Stein, nur darauf bedacht, auf keinen Fall zu stolpern oder zurückzubleiben, denn da die Sklaven durch Stricke miteinander verbunden waren, hätte sie damit auch die anderen in Schwierigkeiten gebracht. Jeder Ungehorsam, jede Unachtsamkeit wurde durch schmerzhafte Peitschenschläge geahndet, wobei sich ihre Peiniger hüteten, ihr Gesicht zu treffen. Die Schönheit der fränkischen Sklavin war bares Geld wert, es wäre dumm gewesen, sie zu entstellen.
Es mochte eine Woche vergangen sein, vielleicht auch länger, da hielt die Karawane um die Mittagszeit auf der Kuppe eines Hügels an, und die Karawanenführer knieten nieder, um zu beten. Es war nichts Ungewöhnliches, da die Sklavenhändler fromme Muselmanen waren und täglich mehrfach ihr Gebet verrichteten. Dieses Mal jedoch taten sie es mit ganz besonderer Inbrunst. Tiessa, die stumpfsinnig vor sich hin gestarrt hatte, vernahm plötzlich ein leises Geräusch, ähnlich einem fernen, auf und nieder steigenden Gesang. Ein muselmanischer Gebetsrufer? Wie nannten sie ihn doch? Muezzin?
Als sie den Blick hob, entdeckte sie zu Füßen des Hügels eine Stadt. Trotz ihrer Müdigkeit war sie bezaubert von diesem Anblick, und sie fragte sich, weshalb die Orte in ihrer Heimat oft so grau und
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