Die Braut des Kreuzfahrers
Städten der Kreuzfahrer war es streng verboten, mit Menschen Handel zu treiben. Hier aber in Damaskus herrschten die Gesetze der Muselmanen. Käufer und Neugierige drängten sich um Podeste aus Holz, auf denen Sklaven ausgestellt waren, meist schwarzhäutige Menschen mit krausem Haar, die man als Arbeitskräfte für schwere Lasten benötigte, doch auch andere: schwarzbärtige Sarazenen, die in die Sklaverei geraten waren, hellhäutige Waräger aus dem Osten, rothaarige Männer aus Sizilien. Wie betäubt stolperte Tiessa durch die dichte Menschenmenge, wurde von Selim und seinen Helfern mal hierhin, mal dorthin gezerrt, und was sie sah, erschien ihr wie ein irrwitziger Traum. Menschen wurden vorgeführt und angepriesen wie auf demViehmarkt, alte und junge, große und kräftige, zarte und gebrechliche, Knaben mit schönen Augen, weißhaarige Greise, die irgendeine Kunst beherrschten, vielleicht die des Lesens und Schreibens oder des Musizierens. Es gab Händler, die nur hübsche, junge Frauen anboten, bei anderen standen ganze Familien auf dem Podest. Fast alle waren gefesselt, einige sogar in Ketten.
Tiessas Gefährten wurden nach einigen Verhandlungen von einem hektischen, dickleibigen Sarazenen erstanden, der den Alten offenkundig nicht wollte, ihn nach einigem Zögern aber doch nahm, weil ihm sonst die drei jungen, kräftigen Burschen, auf die der Konkurrent vom Nachbarstand schon ein Auge geworfen hatte, entgangen wären. Der Abschiedsblick des alten Mannes hinüber zu seiner Enkelin schnitt Tiessa ins Herz, wusste er doch, dass er sie in diesem Leben nicht wiedersehen würde. Die junge Frau schenkte ihm ein Lächeln – ihr Geist war weit fort, das Unglück ihres Großvaters erreichte sie ebenso wenig wie ihr eigenes.
Nachdem Selim die männlichen Sklaven gut losgeschlagen hatte, schob er die beiden Sklavinnen weiter durch die Menge. Jetzt erst fiel Tiessa auf, dass die Kauflustigen fast ausschließlich Männer waren. Nur einmal entdeckte sie eine von Dienern getragene, geschlossene Sänfte, in der eine verschleierte Frau saß. Sie hatte den Vorhang, der sie vor allen Blicken schützen sollte, ein wenig zur Seite geschoben, um einige schwarzhäutige Sklavinnen auf einem Podest zu betrachten. Neben der Sänfte warteten mehrere Bewaffnete – ganz sicher war diese Frau die Mutter oder Schwester eines einflussreichen Mannes.
Selim steuerte auf einen der Händler zu, mit dem er offensichtlich gut bekannt war, denn die beiden grüßten einander und schwatzten ein Weilchen. Tiessa konnte nicht fassen, dass diese beiden Männer in bester Laune Neuigkeiten austauschten und im nächsten Augenblick dazu übergingen, lebendige Menschen zu verhandeln. Es dauerte nicht lange, da trat der Händler zu den beiden Sklavinnen, um sie aus der Nähe zu besehen. Er forderte sie auf, die Münder zu öffnen, und taxierte ihre Zähne, riss an ihrem Haar und nahm ihnen die Mäntel fort. Er schien wenig Gefallen an Tiessas Gewand zu finden, denn er schnaubte ärgerlich und zerrte daran herum. Anschließend betastete er ihren Körper durch den Stoff hindurch mit wenigen, sicheren Griffen, so wie ein erfahrener Pferdehändler weiß, wohin er fassen muss, um eine Stute einzuschätzen. Schließlich zog er ihr die Stiefel aus und besah missbilligend ihre Füße, die von dem langen Marsch wund waren. Die gleiche Zeremonie musste ihre Leidensgefährtin über sich ergehen lassen. Auch sie wehrte sich nicht – wozu auch, in den Augen dieser Männer waren sie Sklavinnen, die kein Recht auf ihren eigenen Körper hatten.
Man feilschte noch ein wenig, der Händler zeigte mehrfach auf Tiessas Füße, während Selim ihr langes rotbraunes Haar anhob, um es besser zur Geltung zu bringen – schließlich aber wurden die beiden handelseinig. Selim strich etliche Goldmünzen ein, und Tiessa ertappte sich bei dem Wunsch, dieser widerwärtige Gierschlund möge auf dem Rückweg Räubern in die Hände fallen und all sein sündhaft zusammengerafftes Geld wieder verlieren. Es war kein frommer Wunsch, aber die Vorstellung tat ihr wohl.
Sie hatte geglaubt, nun sofort auf das grauenhafte Podest gestellt zu werden, wo mehrere Frauen verschiedenen Alters von den Käufern begafft wurden. Doch stattdessen führte der Händler die neu erstandene Ware in ein Zelt, wo eine hässliche Alte auf sie wartete, um sie für den Verkauf herzurichten. Die beiden Sklavinnen mussten ihre Obergewänder ablegen und sich den Reiseschmutz abwaschen, danach erhielten sie eng
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