Die Braut des Kreuzfahrers
Augen eng zusammen, und sie begriff, dass er schlecht sehen konnte. Er nickte zufrieden und wandte sich wieder dem Händler zu, der mürrisch mit über der Brust verschränkten Armen wartete. Was sie miteinander redeten, konnte Tiessa nicht verstehen, doch sie schienen sich recht bald zu einigen, wobei der Händler eine Miene zog, als habe er eine Schale ungesüßten Essig hinunterkippen müssen.
Ihr Käufer ließ nicht locker, bis ihm auch ihr Bündel ausgehändigt wurde, dazu die Stiefel und der Mantel.
» Gehört dir sonst noch etwas? «
» Das Kleid dort. Aber es ist alt und schmutzig. «
» Ganz gleich. Wir nehmen es mit. «
Er rollte das Gewand zusammen und drückte es ihr in die Hand, damit sie es in ihr Bündel legte. Dann erst war er zufrieden und zog einen abgewetzten Lederbeutel hervor, um dem Händler den ausgemachten Preis zu zahlen. Tiessa stellte fest, dass sie fünf Goldmünzen wert war, sie hatte allerdings nicht gesehen, ob es sich um Besants oder um andere Münzen handelte.
» Wie ist dein Name? « , wollte er wissen, nachdem sie in sein Eigentum übergegangen war.
» Tiessa. «
Er trug eine runde Kappe aus blauem, schon reichlich speckigem Sammet, daraus sahen dünne rötliche Haarsträhnen hervor, die sich an den Schultern und im Nacken ringelten. Die Nase war – wie fast alles an diesem Mann – lang und sehr schmal, auch hing sie ein wenig herunter. Seine Augenlider zuckten, wenn er nicht gerade blinzelte.
» Hast du die Absicht, mir davonzulaufen, Tiessa? «
Was für eine Frage! Natürlich würde sie jede sich bietende Gelegenheit zur Flucht ergreifen. Er konnte offensichtlich ihre Gedanken lesen, denn nun erklärte er ihr, dass eine entlaufene Sklavin schlimme Strafen zu erwarten habe, die von erbarmungslosen Schlägen am ganzen Körper bis hin zum Tod durch Erhängen reichten.
» Du tust also gut daran, bei mir zu bleiben und zu gehorchen, Tiessa! «
Sie war todmüde und lief wie ein Hündchen hinter ihm her, froh, dass sich das Gedränge auf dem Markt inzwischen gelichtet hatte und man rasch vorankam. Er schien kein übler Kerl zu sein, da er eine Teigtasche mit Gemüse und einen Becher Milch für sie kaufte und geduldig wartete, bis sie beides vertilgt hatte.
» Dieser Geizkragen hat euch den ganzen Tag über nicht zu essen gegeben, wie? Ich hätte es ihm vom Preis abziehen müssen. «
Während sie hungrig kaute, erfuhr sie, dass er der berühmte Arzt Petrus Habakus sei, der auch am Hof des Sultans bekannt sei.
» Was für ein Sultan? Doch nicht etwa – Saladin? «
» Natürlich – wer sonst? Damaskus ist die Hauptstadt des Sultans, dort drüben in der Zitadelle ist sein Wohnsitz. «
Sie schluckte den Rest der Teigtasche hinunter und reichte der Händlerin den leeren Becher zurück. Die Zitadelle war von hier aus nicht zu sehen, da die Häuser den Blick verstellten, doch sie hatte das Bauwerk noch am Morgen bewundert. Dort also hielt sich der gefürchtete Sultan Saladin auf, der Sieger von Hattin, der Sarazenenfürst, dem es gelungen war, den Christen das heilige Jerusalem zu entreißen. Nur wenige Kreuzfahrer hatten ihn aus der Nähe zu sehen bekommen, und den meisten war es nicht gut dabei ergangen. Kühl und grausam sollte er sein, hart mit sich selbst und den eigenen Leuten. Man hatte ihr auch erzählt, dass er sehr fromm sei, keine Ausschweifungen liebe und lieber schweige als rede. Wie es schien, war er in vielen Dingen das genaue Gegenteil von Richard Löwenherz …
» Ich habe dich aus zwei Gründen gekauft, Tiessa. Erstens, weil ich jemanden um mich haben möchte, mit dem ich französisch reden kann. Zweitens weil ich Hilfe bei der Herstellung der Arzneien benötige. Dazu braucht man zarte Fingerchen und ein gutes Gedächtnis. «
Er lief jetzt wieder vor ihr her, drehte sich immer wieder um und hörte nicht auf zu reden. Es sei keine schwere Arbeit, sie müsse jedoch sehr gut aufpassen und ganz genau seine Anweisungen befolgen, es ginge um Leben und Tod. Vor den Kunden solle sie sich besser nicht sehen lassen, da sie eine Fremde sei, dennoch müsse sie auf jeden Fall die arabische Sprache erlernen. Ob sie lesen und schreiben könne? Nein? Das sei sehr schade. Sonst hätte sie niederschreiben können, was er diktierte.
Er trug rote Schnabelschuhe und ging mit langen Schritten, wobei seine knochigen Fußgelenke entblößt wurden. Sie hatte Mühe, seinen Reden zu folgen, die ihr ziemlich wirr erschienen, aber vielleicht war er so froh, endlich wieder
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