Die Braut des Kreuzfahrers
Vielleicht hatte sie das auch schon früher getan, jetzt aber war ihr Hass abgrundtief. Niemals würde sie begreifen, dass er tiefes Mitleid mit ihr empfand und dass er nur so entschieden hatte, weil er um das Heil ihrer Seele besorgt war. Gewiss würde sie leiden müssen, so wie auch er litt. Doch was war das kurze Leid des irdischen Daseins gegen die Ewigkeit Gottes, in die wir nach unserem Tode eingehen?
Sie bewahrte Haltung, so wie sie es am Hof ihres Vaters gelernt hatte. In der Burgkapelle hörte sie die Messe mit großer Andacht, ging an seinem Arm aus dem Kirchenraum zum Frühmahl und gab wie gewohnt die nötigen Anweisungen an das Gesinde. Gottfried entdeckte unter den Höflingen hie und da ein hämisches Augenpaar, und die Erkenntnis traf ihn hart, dass Richenzas Verfehlung keineswegs verborgen geblieben war. Er schwieg jedoch und behandelte seine Ehefrau mit ritterlicher Höflichkeit, so wie es ihrem Rang zukam.
Später, in der Kirche unten in Nogent, wurde ihm ein wenig leichter ums Herz, denn die Leute aus der Stadt zeigten ihm deutlich, wie froh sie über seine Rückkehr waren. Nach der Messe schickte er Richenza mit ihren Frauen hinauf zur Burg und blieb selbst noch in der Kirche zurück, um verschiedene Bittsteller anzuhören und ihre Wünsche nach Kräften zu erfüllen. Dazu stiftete er zwei Fässer guten Wein und frisch gebrautes Bier, damit seine Heimkehr im Ort gebührend begangen werden konnte, und auch die Bettler und Krüppel wurden nicht vergessen. Der einzige Wermutstropfen, der seine Freude trübte, war das Wiedersehen mit Ivo Beaumont, den er zu seiner allergrößten Überraschung unter den Stadtleuten antraf. Er wollte den alten Groll gegen diesen Menschen aber begraben, zumal Ivo vor ihm niederkniete und versicherte, dass er die Strafe in Akkon zu Recht empfangen habe und seine Verfehlungen bitter bereue. Die Erfahrungen im Heiligen Land hätten einen anderen Menschen aus ihm gemacht und er bitte den Grafen untertänigst um die Gnade, hier in Nogent bleiben zu dürfen. Wie sich herausstellte, hatte Ivo von Richenza bereits einige Aufträge erhalten. Sie hatte ihm Botschaften anvertraut und ihm sogar vorgeschlagen, die Verwaltung des gräflichen Viehhofs zu übernehmen.
» Wir werden sehen … «
Gottfried von Perche war zwar entschlossen, diesem Sünder zu vergeben, ob er ihm ein Amt anvertrauen wollte, musste er sich noch gründlich überlegen. Vor allem wollte er dabei mit sich selbst zu Rate gehen und sich fragen, ob seine Abneigung gegen Ivo Beaumont nicht etwa einer sündhaften Eifersucht entsprungen war. In diesem Fall hatte er Ivo einiges abzubitten.
Er war froh, dass Ivo sich mit diesem vagen Versprechen vorerst zufrieden gab und mit einer tiefen Verbeugung davonzog. Gottfried hatte nun alle Lust verloren, weitere Bittsteller abzufertigen, denn es kam ihm der Gedanke, dass Tiessas Halbbruder Jordan unter ihnen sein könnte. Es war zu früh, das spürte er deutlich, er war noch nicht gefestigt. Die Gefahr, dass Jordan von Tiessa schwatzte, war allzu groß. Auch das Ansinnen des Stadtobersten, einige Gefangene, darunter auch eine Ehebrecherin zu verhören, die im Mauerturm gefangen säßen, lehnte er für heute ab. Hastig befahl er, sein Pferd herbeizuführen, und ritt mit seinem Gefolge zurück auf die Burg.
Dort hatte Richenza inzwischen ihre Aufgabe als Burgherrin wahrgenommen und für den Abend ein Festmahl anbefohlen. Nichts war daran auszusetzen, sie hatte schon am Morgen Boten ausgesandt, um auch die entfernter wohnenden Ritter und ihr Gefolge auf die Burg zu bitten. Nur wenige hatten sich entschuldigen lassen, und so trafen gegen Abend nicht nur Guillaume de Chatel, der Truchsess und Joscelin de Montberger, der das Amt des Mundschenks innehatte, auf der Burg ein, sondern auch etliche der Kreuzfahrer, die vor über einem Jahr gemeinsam mit dem Grafen zum Heiligen Land aufgebrochen waren. Der kleine Fulco von Villeneuve, auch Gilles von Chenet, Alfonse von Brionne und Rolf von Vaudet fanden sich mit ihren Ehefrauen ein, brachten Barden und Spaßmacher in ihrem Gefolge mit, und es wurde lebhaft von vergangenen Taten geredet.
» Und Tiessa? Meine hübsche Magd Tiessa? « , rief Yolanda aufgeregt über die Tafel hinweg. » Was ist mit ihr geschehen? «
Gottfried beruhigte sie. Die Magd Tiessa sei wohlauf und zu ihrer Familie zurückgekehrt. Sie würde bald heiraten.
» Wozu das denn? « , murrte Yolanda. » Ich würde sie gern in meine Dienste nehmen. Ich brauche eine
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