Die Braut des Kreuzfahrers
heran und freute sich darüber, wie zärtlich und zutraulich das Kind war. Schade fand er nur, dass Richenza sich während dieser Zeit nicht blicken ließ, er hätte seine Freude gern mit ihr geteilt. Als er nach ihr fragte, gestand ihm die Amme, dass die Gräfin nur selten nach ihrem Kind sehe. Was nur natürlich sei, da die Herrin ja den Besitz verwalten und für alle sorgen müsse.
Richenza hatte diese Aufgabe glänzend erfüllt. Noch am gleichen Nachmittag überprüfte er die Bücher und stellte fest, dass sie sorgfältig und mit winziger Schrift Abgaben und Einkünfte eingetragen hatte. Den Bestand auf dem Viehhof hatte sie getreulich notiert, es waren zwei Rinder an einer Krankheit gestorben, sechzehn Kälber geboren worden, fünf davon hatte sie verkauft, die restlichen würde man bis zum Winter auf den Weiden lassen und dann über ihr Schicksal entscheiden. Das Gesinde auf der Burg war um drei Mägde und zwei Knechte vermehrt worden, deren Lohn sie ebenfalls genau verzeichnet hatte, ebenso die Geschenke, die jeder am Christtag und zu Ostern erhalten hatte, nämlich Wollstoff zu einem Gewand und eine halbe Schweinehaut, um Schuhe daraus zu machen. Eine Magd hatte einen unehelichen Knaben zur Welt gebracht, den man auf den Namen Melchior getauft und in das Kloster St. Cathérine gegeben hatte, ein alter Knecht war im Winter am Husten gestorben, und schließlich hatte sie zwei hörigen Bauern die Heirat gestattet, da sie in der Lage waren, Weib und Kinder zu ernähren. Im vergangenen Jahr hatte sie um Pfingsten sogar in Nogent Gericht gehalten und einen Landstreicher, der ein Pferd gestohlen hatte, zum Tode verurteilt. Das freilich nur in Vertretung ihres Ehemannes, doch es war rechtens, und niemand hatte dagegen Einspruch erhoben. Auf einer gesonderten Seite hatte sie die Spenden und Almosen vermerkt, die sie den Klöstern gewährt hatte, darunter fanden sich zu seinem Ärger auch Zuwendungen an die Templer, vor allem jedoch mehrere sehr freigiebige Spenden an das Kloster St. Cathérine. Stirnrunzelnd las er, dass sie sowohl Vieh als auch Land an die Nonnen gegeben hatte, dazu Wachs für Kerzen, Getreide und Heu, zwei silberne Abendmahlskelche und mehrere Ballen Leinen, um Hemden daraus zu nähen. Dieser letzte Posten erstaunte Gottfried am meisten – wie konnte es sein, dass die Nonnen so viele Hemden aus feinem weißem Leinen benötigten? Im Vergleich dazu fielen die Spenden an die Mönchsabtei St. Denis ziemlich mager aus – dort waren nur Altarkerzen, die sie von den Nonnen in St. Cathérine erworben hatte, und einige Fuder Holz verzeichnet.
Er schloss die Bücher erst, als das Tageslicht zu schwach wurde, um die kleinen Zahlen zu entziffern. Er erhob sich und trat zum Fenster, um noch einmal, bevor es dunkel wurde, über Wälder und Hügel zu blicken. Lächelnd erinnerte er sich, dass er früher oft mit Sehnsucht zum Horizont gesehen und sein Schicksal beklagt hatte, das ihn zwang, das Land anstelle seines Vaters Rotrou zu verwalten, während andere das Glück hatten, im Heiligen Land für die Sache des Glaubens zu kämpfen. Nun also war dieses Glück auch ihm zuteilgeworden, er war gen Süden gezogen und hatte den Boden betreten, auf dem einst Jesus Christus gewandelt war. Er war geheilt von seiner Sehnsucht, wohl auch von vielen Irrtümern und falschen Hoffnungen. Was ihm trotz allem blieb, war dieses Land, für das er nun Verantwortung trug, nachdem sein Vater im Kampf um Akkon gefallen war. Gott hatte ihm dieses Land anvertraut, und schon deshalb war es wichtig, den Rest seines Daseins der Buße zu widmen, damit seine Sünden nicht über das Perche und seine Bewohner kamen. Er blickte noch einmal wohlwollend über die bewaldeten Hügel, aus denen die schöne Basilika von St. Denis herausragte, folgte dem Weg, der sich am Fluss entlang bis zum Stadttor schlängelte, und schaute flüchtig über die Dächer der Stadt, bevor er sich rasch vom Fenster abwandte. Es tat ihm nicht gut, diese Dächer zu besehen, vor allen Dingen nicht das mit grauen Schindeln gedeckte Dach des Anwesens, das früher seinem Verwalter Jean gehört hatte.
Eine Magd war hinter ihm in den Raum getreten und hatte die Kerzen entzündet, eine zweite, die fast noch ein Kind war, trug zwei Schüsseln mit Brot und Fleisch, die sie für den Herrn auf den Tisch stellte. Dazu brachte man ihm frisch gebrautes Bier. Er hatte die Mahlzeit nicht befohlen und eigentlich gehofft, mit Richenza gemeinsam zu essen, doch jetzt erfuhr er, dass
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