Die Braut des Kreuzfahrers
ließ, wurde ihm gesagt, dass sie sich schon seit dem frühen Morgengrauen in der Burgkapelle zum Gebet aufhalte.
Er nahm nichts von dem Frühmahl, das man ihm auftrug, trank nur ein wenig Wasser, das mit Essig vermischt war, und ließ dann zwei Knappen rufen, die ihm beim Ankleiden helfen sollten. Sie waren Brüder, die Söhne des Alan de Villeton, der mit Rotrou von Perche ins Heilige Land gezogen und dort gestorben war. Die beiden waren ein gutes Stück gewachsen, doch sah er ihnen an, dass ihre Ausbildung in vielen Bereichen vernachlässigt worden war. Er würde mit Gilbert de Corniac ein ernstes Wort zu reden haben, die beiden wussten nicht einmal mehr, wie man dem Herrn Gürtel und Gewandrock reichte. In ihrer Aufregung vertauschten sie auch seine Schuhe, und der Jüngere verschüttete das Waschwasser, als er die Schüssel hinaustrug.
Er hatte vorgehabt, die Zeit bis zum Beginn der Frühmesse ebenfalls im Gebet zu verbringen, doch zu seinem Erstaunen kündigte man ihm Richenza an. Seine Frau wollte ihm – so sagte der Knappe – einen kurzen Morgengruß überbringen.
Sie trug ein straffes Gebände aus weißem Leinen, das Haar, Kinn und Hals verhüllte. Zusätzlich hatte sie einen Schleier über den Kopf gelegt, den sie weit ins Gesicht hineinzog. Vermutlich hatte sie wenig geschlafen in dieser Nacht, sie erschien ihm sehr bleich, wobei die umschatteten Augen und die aufgesprungenen tiefroten Lippen eine merkwürdige Anziehungskraft auf ihn ausübten. Ein Bild kam ihm wieder in den Sinn, das er am Morgen für einen bösen Traum gehalten hatte und das er jetzt gerne wieder von sich geschoben hätte.
» Strafet mich, Herr « , sagte sie. » Ich habe Schuld auf mich geladen und will tun, was immer Ihr von mir verlangt. Doch ich flehe Euch an, verschonet die Äbtissin. Sie tat nur, was ich ihr befahl. «
Ihr Blick war nicht untertänig, er war fordernd und stolz. Die Tochter des Löwen war bereit zu büßen, und noch während sie ihre Strafe erwartete, hielt sie schützend die Hand über ihre Geliebte. Ihre Geliebte? Jetzt erst drang die Wahrheit unerbittlich in Gottfrieds Bewusstsein. Es gab Männer, die in unzüchtiger Liebe zu einem Mann entbrannten – dass es auch Frauen gab, die sich zu anderen Frauen aufs Lager legten, hatte er bisher nicht gewusst. Es war eine schreckliche Sünde, die schlimmste Art der Unzucht, und dass gerade Richenza, die er für rein und gottgefällig gehalten hatte, mit solch einem Laster behaftet war, erfüllte ihn mit Grauen. Zugleich aber sagte er sich, dass er selbst, der so tief gesündigt hatte, kein Recht besaß, über Richenza zu richten.
Sein Schweigen hatte sie verunsichert, ihr Blick war nicht mehr ganz so stolz. Stattdessen schob sie die Unterlippe vor und erschien ihm jetzt wie ein trotziges Kind.
» Ich werde alle meine Pflichten als Eure Ehefrau getreulich erfüllen, auch Kinder gebären nach Eurem Wunsch, und so Gott will, wird bald ein Sohn darunter sein. Ihr werdet keinen Grund haben, Euch über mich zu beklagen, Herr. «
» Wo ist … die Äbtissin? «
Ihre Unterlippe zitterte jetzt – sie hatte Angst um ihre Geliebte. Der Graf von Perche konnte die Tochter Heinrichs des Löwen weder strafen noch sie verstoßen – er hätte sich sonst allzu mächtige Feinde gemacht. Doch er konnte seinen Zorn an der Äbtissin auslassen, sie vor einem Kirchengericht wegen irgendeines ausgedachten Vergehens anklagen. Da die Kirchenherren in der Frau stets die Wurzel allen Übels sahen, würde sie verurteilt werden.
» Sie ist noch in der Nacht zurück ins Kloster geritten. Ich schwöre Euch, dass sie die Burg niemals wieder betreten wird. «
Gottfried von Perche kämpfte mit dem aufsteigenden Unmut. Nein, er wollte nicht über sie richten, aber er konnte auch nicht zulassen, dass sie weiterhin ihrer sündhaften Neigung nachgab. Auch sie würde für ihre Verfehlung büßen müssen, das war Gottes Wille, und er als ihr Ehemann würde dafür sorgen, dass die Buße nicht allzu hart ausfiel.
» Sei ruhig, Richenza. Gott wird über die Sünden der Äbtissin richten, so wie er auch über deine und meine Taten den Stab brechen wird. Doch um Euch von der Versuchung fernzuhalten, werde ich dafür sorgen, dass die Äbtissin Clara in ein Kloster nach Burgund geschickt wird. «
Sie nahm die Entscheidung schweigend an, da sie nichts daran ändern konnte, doch ihr musste klar sein, dass sie ihre Geliebte niemals wiedersehen würde. Seine Ehefrau Richenza würde ihn von nun an hassen.
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