Die Braut des Kreuzfahrers
seine Frau bereits zu Bett gegangen sei, da sie sich nicht wohl fühle. Sie ließe ihm diese Speisen bringen, da sie glaube, dass er heute noch kaum etwas zu sich genommen habe, und wünsche ihm eine gesegnete Nachtruhe.
Er stellte keine Fragen, ließ ihr auch nichts ausrichten, sondern setzte sich an den Tisch, um zu essen. Während er das ungewürzte Fleisch und einen Bissen Brot kaute, dachte er darüber nach, dass es die Hoffnung war, die den Schmerz verursachte, und dass er danach trachten musste, sich keinerlei Hoffnungen mehr hinzugeben. Wie hatte er nur glauben können, Richenza würde ihm gleich am ersten Abend seiner Rückkehr ihr Lager anbieten? Er hatte doch bemerkt, dass sie sich fremd geworden waren. Zudem hatte er versäumt, ein Bad zu befehlen, und keine Anstalten gemacht, sich Haar und Bart scheren zu lassen. Es wäre mehr als unpassend gewesen, sie heute schon zu besuchen, mehr noch, er hätte den Eindruck erweckt, nach körperlicher Lust zu streben. Richenza aber war fromm erzogen, sie gab sich ihrem Ehemann nur hin, um Nachkommen zu empfangen. Gott hatte ihm diese Ehefrau gegeben, damit er durch sie geläutert wurde, es war eine Gnade, die er nicht hoch genug einschätzen konnte.
Er hatte Mühe, wenigstens ein paar Bissen Brot und ein Stückchen Fleisch herunterzubringen, und hielt sich lieber an den roten Wein, der mit Minze und Honig gewürzt war. Wie fade die Speisen hierzulande schmeckten, wieso fiel ihm das erst jetzt auf? In Marseille hatte Tiessa einen Vorrat an Gewürzen gekauft, sodass die Mahlzeiten auf der Reise …
Tiessa! Ein Blitz traf ihn schmerzhaft in der Gegend des Herzens. Er griff rasch zum Becher und trank ihn bis zur Neige aus, goss aus dem Krug nach und kam erst zur Besinnung, als er den zweiten Becher geleert hatte. Der Teufel war hinterhältig, er konnte aus heiterem Himmel über den armen Sünder herfallen, niemals und nirgendwo war man vor ihm sicher. Wahrscheinlich war es besser, einige Tage zu fasten, vielleicht auch, sich des Schlafes zu enthalten, denn ganz besonders mächtig war Satan über die Träume.
Nachdem er den Krug leer getrunken hatte, erhob er sich, um ein wenig umherzugehen, da er sich müde und schwerfällig fühlte. Seine Füße trugen ihn jedoch, ohne dass er es gewollt hätte, in die Kemenate seiner Ehefrau, und als er den Irrtum bemerkte, war es schon zu spät. Eine Magd, die vor der Tür geschlafen hatte, sprang erschrocken auf, er stolperte gegen eine Truhe, riss einen Wandbehang herunter und stand plötzlich vor Richenzas Lager. Eine kleine Laterne auf dem Fenstersims beleuchtete den Raum, Richenza hatte sich aufgesetzt und versuchte, ihre Blöße mit der wollenen Decke zu schützen. Ihre Augen waren weit geöffnet, das lange Haar, das sie sonst unter einer Haube verbarg, hing ihr wirr über die Schultern. Neben ihr lag eine zusammengekauerte nackte Gestalt, ein Knabe mit kurzgeschorenem braunem Haar, der seltsamerweise zwei weiße, schön geformte Frauenbrüste besaß. Gottfried von Perche starrte eine kleine Weile auf das seltsame Lager, konnte nichts begreifen und hoffte, dass dieses irrwitzige Traumbild vor seinem Blick vergehen möge. Da es sich jedoch als beständig erwies, verspürte er bald den verzweifelten Wunsch, davor zu fliehen.
» Vergebt mir « , stotterte er. » Ich … ich habe mich im Raum geirrt. «
Ob Richenza ihm antwortete, wusste er nicht, da das Klopfen seines Herzens alle anderen Geräusche übertönte. Er verließ die Kemenate schwankend und hatte das Gefühl zu schweben, mehrmals kamen ihm Wand und Fußboden gefährlich nahe. Als zwei Knechte herbeiliefen, um den Herrn zu seinem Lager zu geleiten, verwünschte er den roten Wein bis ans äußerste Ende der Hölle. Auch sein Vorsatz, den Schlaf zu meiden, ließ sich nicht ausführen, denn er sank in tiefen Schlummer, kaum dass er auf seinem Bett lag. Welche Träume ihn in den folgenden Stunden heimsuchten, war ihm am Morgen nicht mehr in Erinnerung, doch er fürchtete, dass sie wirr und voller schlimmer Fantasien gewesen waren.
Es war ein Sonntag, den er nach seiner Gewohnheit mit einer Frühmesse in der Burgkapelle begann, bei der alle Burgleute bis zum letzten Knappen anwesend zu sein hatten. Danach hatte er vor, hinunter in den Ort zu reiten, um auch dort in der Kirche die Messe zu hören. Er wollte sich den Leuten aus der Stadt zeigen, sie begrüßen und deutlich machen, dass der Graf des Perche wieder im Lande war. Als er diese Absichten Richenza mitteilen
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