Die Braut des Kreuzfahrers
Richard Löwenherz kämpften, waren sie in Konkurrenz zueinander geraten, denn beide hofften auf die Anerkennung des Vaters. Rotrous Zuneigung hatte wohl von Anfang an dem lebhaften jüngeren Sohn gehört, doch da ihm dessen Gesinnung nicht gefiel, hatte er sich an Gottfried, den älteren, vernünftigen gehalten.
Das Wiedersehen nach langer Zeit auf Burg Mortagne war zu Anfang sehr herzlich gewesen, und Gottfried hatte geglaubt, in seinem Bruder einen guten Freund und Kameraden zu finden. Allerdings war schon nach wenigen Stunden ein Streit zwischen ihnen aufgeflammt, und das unseligerweise wegen eines Weibes. Er hatte seinem Bruder angeraten, endlich eine Ehefrau zu nehmen und Nachkommen in die Welt zu setzen, wogegen Stephan sich zu seinem Entsetzen standhaft geweigert hatte.
» Ich habe ein Weib, das ich liebe und von der ich mich niemals trennen werde. Wozu also soll ich eine andere heiraten? «
Gottfried war bekannt, dass sich sein Bruder eine Geliebte hielt, dass diese Frau allerdings eine solche Macht über das Gemüt seines Bruders ausübte, hatte er nicht gewusst. Stephan war sogar so weit gegangen, sich in Anwesenheit eines Priesters mit dieser Marie – der Tochter eines Händlers aus Bellèmes – zu verheiraten.
» Das ist nur Christenpflicht « , sagte Stephan unbefangen. » Ich liebe Marie und will sie nicht in Schande bringen. Außerdem haben wir zwei Söhne, die ich als mein eigen Fleisch und Blut erkenne. «
Natürlich war dies eine Kebsehe, die Söhne würden niemals Anspruch auf den Grafenthron des Perche erheben dürfen, aber die Ehe mit Marie war gültig vor Gott und würde für eine ebenbürtige Heirat ein Hindernis darstellen. Dies alles störte Gottfried sehr, und noch mehr brachte ihn in Harnisch, was sein Bruder ihm gleich darauf auseinandersetzte.
» Weißt du nicht, dass dir nur dann ein Sohn geboren wird, wenn du deine Frau in Liebe umfängst? Nur wenn du sie in Hitze bringst, dann kann sie einen Sohn empfangen. Im anderen Fall wird sie Töchter auf die Welt bringen. «
» Du drehst dir Gottes heilige Schöpfung einfach so, wie es dir gerade gefällt « , hatte er Stephan wütend entgegengehalten. » Dann wäre es ja so, dass alle Männer in sündiger Lust empfangen würden. «
» Wieso denn sündig? Die Lust, die zwei Liebende miteinander empfinden, ist keine Sünde – lass dir das ein für alle Mal gesagt sein, heiliger Gottfried. «
Allein schon diese Bezeichnung » heiliger Gottfried « , hatte seinen Zorn heftig angefacht. Nun fiel ihm auch ein, dass es sein Bruder gewesen war, der sich diesen boshaften Spitznamen für ihn ausgedacht hatte. Stephan, der Heide, so hätte er ihn eigentlich nennen müssen.
» Die Liebe zwischen Mann und Frau ist von Gott gegeben, Bruderherz. Und wenn sie rein ist und aus deinem tiefsten Herzen kommt, dann ist sie eine Gnade, die nur wenigen zuteilwird. Wer diese Gnade nicht annimmt, der ist ein Narr! «
Sie hatten noch eine ganze Weile gestritten, und Gottfried war am folgenden Tag in aller Frühe ohne Abschied davongeritten, um sich nach St. Denis zu begeben. Mehrfach hatte er überlegt, ob es tatsächlich wahr sein konnte, was Stephan über die Zeugung eines Sohnes gesagt hatte. Die Tatsachen schienen seinem Bruder recht zu geben, denn Marie hatte Stephan bereits zwei Söhne geboren, während sein eigenes Kind nur eine Tochter war. Wenn auch eine bezaubernde, kleine Tochter, die er über alles lieben würde … Er hatte die Idee verworfen, den Abt Johannes nach seiner Ansicht zu diesem Punkt zu befragen, da er fürchtete, mit der Lehrmeinung abgespeist zu werden, dass die körperliche Lust grundsätzlich sündig sei. Wenn es also nach dem Wunsch der Kirche ging, würden auf Erden wohl keine Männer, sondern nur noch Frauen geboren werden. Viel eher war jedoch zu vermuten, dass sein Bruder, dieser Taugenichts, sich das alles nur ausgedacht hatte, um ihn zu verwirren.
Auf der Südseite des Kreuzganges öffnete sich jetzt eine Tür, und Gottfried sah den Klosterabt Johannes gefolgt von einem der jüngeren Mönche in den Gang hinaustreten. Der kleine, glatzköpfige Abt hatte die Gewohnheit, die Hände in die Ärmel seiner Kutte zu stecken und sich beim Gehen nach vorn zu neigen, was den Eindruck erweckte, als sei er tief in Gedanken versunken. Gottfried wusste jedoch, dass der Abt von St. Denis seine Umgebung mit hellen Greisenaugen genau im Blick hatte, sodass ihm keine Nachlässigkeit entging. Niemand, gleich ob Mönch, Laienbruder oder
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