Die Braut des Kreuzfahrers
Knecht, kam unbemerkt an ihm vorbei. Schon gar nicht der Graf von Perche, der sich seit zwei Tagen als Gast im Kloster aufhielt.
Man war sich schon mehrfach während des Tages begegnet, daher neigte Gottfried nur den Kopf zum Gruß, der Abt hingegen blieb stehen und wünschte ihm Gottes Gnade.
» Mich bewegt seit Stunden ein Gedanke « , redete ihn der Abt an. » Sagtet Ihr nicht, dass Ihr arabische Folianten aus dem Heiligen Land mitgebracht hättet? «
Er musste den Kopf heben, um dem hochgewachsenen Grafen ins Angesicht sehen zu können. Ein seltsames Spiel der Natur hatte dem Greis das Kopfhaar vollständig genommen, dafür aber seine Augenbrauen dick und buschig wachsen lassen.
» Das hatte ich erwähnt « , gab Gottfried von Perche zu.
» So habe ich mich also doch nicht geirrt … «
Der Abt nickte mehrfach hintereinander und blickte dann rasch zu seinem Begleiter hinüber. Der Mönch stand mit hängenden Armen da, auch seine Züge waren ohne jegliche Bewegung. Dennoch wusste Gottfried, dass dieser junge Mensch ein begabter Zeichner war, der in der umfangreichen Klosterbibliothek schon etliche Proben seiner Kunst geliefert hatte. Besonders die Initialen, die großen Anfangsbuchstaben der Texte, schmückte er mit ungeheuer fantasievollen Bildern aus, in denen Menschen, Pflanzen und Fabelwesen ineinander verschlungen erschienen.
» Nun, mein Sohn « , wandte sich der Klostervorsteher wieder an Gottfried. » Mich drückt die Sorge, dass diese heidnischen Schriften vielleicht sündige Gedanken enthalten oder gar mit bösem Zauber behaftet sind. Daher kam mir der Gedanke, dass sie wohl besser in der Klosterbibliothek aufgehoben wären … «
Gottfried war ein großer Förderer der Abtei, gerade eben hatte er noch über eine umfangreiche Spende nachgedacht. Die betraf allerdings nicht seine Folianten, und schon gar nicht jene Bücher, die er so mühevoll aus dem Heiligen Land bis ins Perche gebracht hatte. Er blickte in das erwartungsvolle Gesicht des Abts und hatte den Eindruck, dass einer von ihnen beiden – entweder der fromme Gottesmann oder er selbst – von der Sünde der Gier besessen war. Schon öffnete er den Mund, um dem Abt eine ausweichende Antwort zu geben, da störte ein aufgeregter Ruf die Ruhe des Kreuzganges.
» Hinaus! Du hast hier nichts zu suchen! «
Einer der beiden Laienbrüder hatte seine Hacke fortgeworfen und rannte in unwürdiger Eile hinter einem schmächtigen Knaben her, der andere Bruder sah nicht einmal von seiner Arbeit auf. Der Knabe umkreiste den steinernen Brunnen und narrte den Laienbruder, indem er mehrfach die Richtung änderte, dann rannte er in einem seltsam ungleichen Galopp quer über die wohlgepflegten Kräuterbeete und sprang schließlich zwischen den Säulen hindurch in den überdachten Gang hinein.
Als er sich vor Gottfried und dem Abt auf die Knie warf, arbeitete sein Brustkorb so heftig, dass man Angst haben musste, er würde gleich in Ohnmacht sinken.
» Was ist denn los mit dir, Antonius? « , fragte der Abt ärgerlich, denn er hatte gehofft, den Grafen zu einer Schenkung zu überreden. Nun war der günstige Moment vorübergegangen, und es konnte sein, dass der Graf sich die Sache überlegte.
» Wer ist das? « , wollte Gottfried denn auch wissen.
Der Knabe schien nicht in der Lage zu sprechen, auch blickte er seltsamerweise zu Boden, als wage er nicht, den vor ihm stehenden Männern in die Augen zu sehen. Gottfried stellte fest, dass die Kleidung des Jungen zerfetzt und außerdem zu klein war. Man sah seine dürren Glieder aus dem Gewand herausragen, der Kopf war mit einem krausen Lockengewirr bedeckt, in dem mit ziemlicher Sicherheit Heerscharen von Läusen wohnten.
» Ein armer Tropf « , erklärte der Abt mit bemühtem Wohlwollen. » Wir haben ihm den Namen Antonius gegeben. Man hat ihm die Zunge abgeschnitten, sodass er nur lallen kann. Er wurde in dem Hospiz aufgenommen, das Euer Vater Rotrou – der Herr sei seiner Seele gnädig – gegründet hat. Da haben sie auch versucht, sein gebrochenes Bein zu richten, doch es ist falsch zusammengewachsen, weshalb er humpeln muss. «
Der Knabe atmete ruhiger, begann jedoch am ganzen Körper zu zittern. Am Ende des Gangs tauchte jetzt der Laienbruder auf und starrte entsetzt zu dem Abt hinüber. Wahrscheinlich hatte er Angst, für seine Nachlässigkeit bestraft zu werden.
» Hör zu, Antonius « , sagte der Abt streng, denn soeben läuteten die Glocken zum Stundengebet. » Ich rate dir ernsthaft, hier im
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