Die Braut des Kreuzfahrers
mit Reinigungsarbeiten beschäftigt. Nicht lange, und die Mönche würden wieder Platz im Chorgestühl nehmen, um die üblichen Gebete und Gesänge zu absolvieren. St. Denis war vom Geist der Abtei Cluny beseelt. Die zwanzig Mönche lebten in strenger Klosterzucht, und die regelmäßigen Stundengebete, die den Tag und auch die Nacht einteilten, waren von solcher Länge, dass sogar ein williger Büßer wie Gottfried von Perche damit seine Mühe hatte. Auch schien es ihm inzwischen fraglich, ob das Heruntersagen der lateinischen Worte seiner Seele tatsächlich die ersehnte Ruhe bringen konnte, denn ihm waren mehrfach während solcher Gebete schöne oder auch schlimme Bilder aufgestiegen.
Er musste die Augen schließen, kaum dass er durch die kleine Pforte in den Klosterhof getreten war, da ihn die Strahlen der Mittagssonne blendeten. Klar und von tiefer Bläue war der Himmel über dem Perche. Es war der gleiche Himmel, der sich auch über dem Heiligen Land wölbte, die gleiche Sonne, und der Mond, der in den Nächten am schwarzen Himmel schwamm, hatte auch über Akkon gestanden. Eine Gruppe halbwüchsiger Gören rannte mit Geschrei hinter einem schwarzen Ziegenbock her. Es waren die Kinder der Armen, die hier im Kloster Unterkunft und Verköstigung fanden und dabei zugleich im christlichen Glauben gestärkt wurden. Ein hoch beladener Heuwagen, der von zwei Pferden gezogen wurde, fuhr in den Klosterhof ein. Zwei junge Hörige liefen daneben her und machten sich gleich daran, die Fuhre nach Anweisung der Laienbrüder abzuladen. Ein Wagner klopfte auf seinen Hölzern herum, auf der anderen Seite des Hofs war ein Schmied beschäftigt, das Pferd des Abts neu zu beschlagen. Gottfried war das laute Treiben lästig, auch das fröhliche Kinderlachen machte ihm wenig Freude, weil sein Kopf seit Mitte der vergangenen Nacht schmerzte. Es war Zeit, auf die Burg zurückzukehren, um seinen Aufgaben als Herr des Perche gerecht zu werden und auch, um nach seiner kleinen Tochter zu sehen. Ein zärtliches Gefühl wuchs in seiner Brust – Helisende war sein Kind und ihm anvertraut, ihr fröhliches Lachen würde seinen Kummer lindern. Der Gedanke an Richenza allerdings löschte das aufkeimende Glück in seinem Gemüt wieder aus – nach dem Fest hatte seine Ehefrau ihm unmissverständlich klargemacht, dass sie ihm außer Hass und Abscheu keine weiteren Gefühle entgegenbringen würde. Der vorsichtige Versuch, zu ihr aufs Lager zu steigen, war in einem Fiasko geendet. Es war nicht Richenza zuzuschreiben, sie hatte sich keinesfalls gegen ihn gesträubt. Es war seine Schuld, er war nicht in der Lage, eine Frau zu nehmen, die ihn hasste.
Er beschloss, für dieses Mal nicht an den Gebeten der Mönche teilzunehmen und stattdessen durch den Kreuzgang zu wandeln, der sich auf der anderen Seite der Basilika befand und nur den Mönchen vorbehalten war. Vielleicht verhalf ihm der Anblick der gleichförmigen, kleinen Säulen und das Plätschern des Brunnenwassers zu der Ruhe, die er in der Basilika nicht hatte finden können. Er brauchte Schlaf, hatte seit Tagen kaum ein Auge schließen können, die Müdigkeit höhlte ihn aus. Die teuflischen Traumbilder, die er durch Schlafentzug hatte meiden wollen, zeigten sich nun tückischerweise im Wachen, sogar während er ins Gebet vertieft war.
Die Mittagssonne zeichnete die schlanken Säulen des Kreuzganges als plumpe Schattengebilde auf das helle Bodengestein, in den Kräuterbeeten hackten zwei schweigende Laienbrüder das Unkraut, der Brunnen schwieg, da niemand dort Wasser holte. Schon nach wenigen Schritten spürte Gottfried von Perche wieder den Schmerz in seinem Leib, und im gleichen Moment stieg ein Ärger in ihm auf, den er eigentlich hatte vergessen wollen.
Er hatte auf seinem Ritt durch das Perche auch die Burg in Mortagne besucht, die zweite, wichtige Festung innerhalb des Perche, Wohnsitz seines Bruders Stephan. In der Kindheit waren sie unzertrennlich gewesen. Gottfried war der ältere und bedächtige, Stephan der fröhliche Tunichtgut voller dummer Einfälle, für die er nicht selten Prügel bezog. Wie oft hatte sich Gottfried damals vor seinen Bruder gestellt, hatte manchen Streich auf die eigene Kappe genommen, die Ausbilder getäuscht, um den kleinen Bruder zu schützen. Doch es hatte ihn bald geschmerzt, dass Stephan nicht von der gleichen Frömmigkeit und Gottesfurcht beseelt war, wie er selbst und sein Vater Rotrou. Später, als sie gemeinsam für Heinrich den Jüngeren und gegen
Weitere Kostenlose Bücher