Die Braut des Kreuzfahrers
vergraben? Den Vater und seine Ritter beneidet, die im Heiligen Land kämpften? Es musste die Krankheit gewesen sein, die ihn so niedergedrückt hatte, und dabei hatte er allen Grund gehabt, Gott zu danken, der ihm das Leben erhalten hatte. Das Leben war ein kostbares Gut, und er schätzte es jetzt mehr als je zuvor, denn Gott hatte ihn mit Richenza vereint.
Man war bei Sonnenaufgang über die erstarrten Felder geritten und hatte die Pferde über die Waldwege galoppieren lassen. Er war fast bekümmert gewesen, dass Gilberts Pferd sich als ausdauernder als sein eigenes erwies. Als sich der Raureif an Zweigen und Halmen durch die Sonnenwärme zu funkelnden Tröpfchen wandelte, hatte der Übermut ihn gepackt und er hatte einen Tjost, einen Zweikampf, ausgerufen. Als Lanzen wählten sie lange Äste, die man sich im Wald von den Bäumen brach. Es gab viel Gelächter, da nicht alle Pferde diese Disziplin beherrschten. Etliche scherten aus, ihre Reiter fluchten, einer war dabei sogar vom Ross gestürzt. Auch waren die Äste gesplittert und man hatte sich vorsehen müssen, um nicht verletzt zu werden – doch das Vergnügen hatte überwogen. Jetzt, da es dem Nachmittag zuging und der Himmel sich bewölkte, war man nach Nogent-le-Rotrou zurückgekehrt. Sie waren erhitzt von dem raschen Ritt, die Haut glühte angenehm, nur die Füße waren nahezu taub vor Kälte.
Er hatte gehofft, seinen Verwalter anzutreffen, mit dem einige Dinge zu regeln waren, vor allem Einkäufe und Vorbereitungen, die Richenzas Wünsche erforderlich machten, aber auch einige lästige Streitigkeiten unter dem Gesinde und auf dem Wirtschaftshof. Doch Jean war noch unterwegs, dafür entdeckte er einen fremden Wagen im Hof, der mit Flechtwerk und Tüchern überdacht war und vor den zwei gut genährte Ochsen gespannt waren.
» Der Komtur aus Arville ist am Vormittag eingetroffen und bittet um eine Unterredung « , wurde ihm gemeldet.
Er bemühte sich, seinen Ärger zu verbergen, denn er hatte gehofft, den heutigen Abend nur in Richenzas Gesellschaft zu verbringen. Seit einiger Zeit wurde mindestens zweimal wöchentlich in der Halle getafelt, meist dann, wenn vornehme Gäste eingetroffen waren, wobei alle Hofleute und auch ihre Frauen anwesend waren. Richenza liebte solch festliche Tafeln im Kreise der Hofgesellschaft. Sie hatte bereits die Namen aller Hofleute samt ihrer Familien im Kopf und kannte die Äbte der umliegenden Klöster, die in der Burg zu Gast gewesen waren. Wobei der Abt von St. Denis und der Vorsteher der Abtei Tiron gebeten hatten, nicht am gleichen Abend eingeladen zu werden, da sie einander feind waren. Heute würde man also mit dem Komtur Tierry de Girot, einem Templer, zu Tische sitzen. Vermutlich ein langer Abend, der nicht mehr viel Zeit zum Zusammensein mit Richenza übrig lassen würde.
Der Komtur erwartete ihn in einem kleinen Nebengemach. Man hatte ihm einen kräftigen Imbiss vorgesetzt, von dem bei Gottfrieds Eintreten nur noch leere Schüsseln zu sehen waren. Dennoch war Tierry de Girot hager und knochig wie ein Ackerpferd, sein Gesicht schmal und von zwei tiefen Falten gezeichnet, die senkrecht rechts und links des Mundes verliefen und bis zu seinem Kinn hinabreichten.
» Gott der Herr segne Euch « , grüßte der Templer. » Er schenke Euch das Paradies um der Wohltaten willen, die Ihr und Euer Vater dem Orden der Ritter Christi angedeihen lasst. «
Er hatte sich von seinem Schemel erhoben und deutete eine Verneigung an, die vermutlich wesentlich tiefer ausgefallen wäre, hätte ihm Graf Rotrou IV . gegenübergestanden. Gottfried war sich dessen bewusst, doch es störte ihn wenig. Obgleich er während der Abwesenheit seines Vaters die Gewalt über Land und Burgen innehatte, war er nie so eitel gewesen, den gleichen Respekt zu verlangen, der seinem Vater entgegengebracht wurde.
Man tauschte einige Höflichkeiten aus und beobachtete einander. Gottfried war schon einige Male mit de Girot zusammengetroffen, denn sein Vater pflegte engen Kontakt mit der Komturei in Arville, die nur eine halbe Tagesreise südlich von Nogent-le-Rotrou gelegen war. Der Komtur Tierry de Girot trug den braunen Mantel der dienenden Brüder. Er war einer jener vielen Templer, die das Heilige Land niemals sehen würden, die aber durch ihre unablässige, fleißige Arbeit in den Komtureien für den Orden von unschätzbarem Wert waren.
Gottfried setzte sich zu seinem Gast, ließ Wein und Pasteten auftragen und hörte sich geduldig die Lobeshymnen auf
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