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Die Braut des Kreuzfahrers

Die Braut des Kreuzfahrers

Titel: Die Braut des Kreuzfahrers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hilke Mueller
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würde sie das himmlische Jerusalem erblicken, das so unfassbar schön und kostbar sein sollte. Sie sah die Türme und Zinnen der Heiligen Stadt vor sich, glänzend wie pures Silber. Daraus ragten Gebäude mit runden Kuppeln hervor, blaue und rote Türme, goldene Arkaden. Wie sehr waren die Kreuzritter zu beneiden, die in die Ferne reisen und solche Schönheit erblicken durften. Sie ritten in den Kampf, setzten ihr Leben ein für diese heilige Sache, und wenn sie starben, dann waren sie aller Sünden ledig. Weshalb war sie nur als Frau geboren? Es gab keine edlen Taten, durch die sie ihre Seele hätte erretten können, außer in ein Kloster einzutreten, um ein gottgefälliges Leben zu führen. Doch das konnte sie den Eltern nicht antun. Sie würde sich tagein, tagaus mit den mühseligen, immer wiederkehrenden Arbeiten plagen müssen, ohne ein Licht zu sehen, denn jenes Glück, das sie erhofft hatte, war für immer verloren. Es war ein Trugbild gewesen, eine Vorspiegelung Satans, der sie verfallen war.
    » Was für ein schreckliches Unglück « , sagte Jean nach der Messe zu einem der Hofmänner. » Es war ihm nicht beschieden, im Kampf zu sterben, möge seine Seele dennoch ins Paradies eingehen. «
    Tiessa verspürte einen Stich in der Brust, der nichts mit dem unglücklichen Dahinscheiden des Kaisers Barbarossa zu tun hatte. Dies war die Nachricht gewesen, die Ivo aus Paris nach Nogent-le-Rotrou gebracht hatte, sein letzter Auftrag, eine ehrenvolle Aufgabe, derer er sich glänzend entledigt hatte. Doch all das hatte keine Bedeutung mehr gehabt. Während die weiteren Gespräche an ihr vorüberflossen, stieg zunehmend Bitterkeit in ihr auf.
    » Es wird Unruhen geben drüben im Kaiserreich – gewiss wird der Welfe wieder sein Haupt erheben, nun, da Barbarossa tot ist. «
    » Was kümmert’s uns? Wenn nur oben in England und in der Normandie alles ruhig bleibt – man redet davon, dass König Richards kleiner Bruder Johann wenig beliebt ist und mit dem Schwert regieren muss. «
    » Was habt Ihr erwartet? Johann Ohneland ist immer ein Schwächling gewesen, und doch ist er mir tausendmal lieber als König Richard. «
    » Sprecht leiser, dass Euch die Burgherrin nicht hört. Sie ist immerhin seine Nichte. «
    » Ach was – sie ist doch fast noch ein Kind. «
    » Täuscht Euch nicht – sie ist empfindlich. Und der Burgherr ist ihr völlig ergeben, er würde Euch bestrafen lassen, wenn sie sich beschwerte. «
    » Ich wünschte, Graf Rotrou wäre hier und sein Sohn Gottfried weit fort im Heiligen Land! Das Hofleben ist nahezu eingeschlafen. Hat es in letzter Zeit ein Fest gegeben? Ein Turnier? Einen Hoftag? Nichts dergleichen, man glaubt fast, im Kloster zu leben! «
    » Das wird bald anders werden. Der Burgherr hat die Räume seiner jungen Frau kostbar ausstatten lassen, man sagt auch, dass die Burgherrin die karge Hofhaltung betrübe. Es würde mich nicht verwundern, wenn er ihr auch diesen Wunsch erfüllen würde – es scheint, dass er recht glücklich mit ihr ist. «
    Es wäre besser gewesen, sich die Ohren zu verstopfen, denn die Bitterkeit stieg so heftig an, dass ihre Kehle schmerzte. War das die himmlische Gerechtigkeit? Der Mann, der all ihren Kummer verursacht hatte, durfte jenes Glück genießen, das er ihr genommen hatte!
    Es dauerte drei lange Wochen, bis der Dämon der Verzweiflung in Tiessas Brust beschloss, sie endlich zu verlassen, und aus ihr herausfloss. Es geschah oben auf dem Dachboden, als sie für die Mutter einige der Kräuterbündel abschnitt und in den Korb legte. Ohne Vorwarnung überfielen sie Krämpfe, und ihr Schluchzen war so heftig, dass sie sich an einem der Dachbalken festklammern musste.
    » Gott sei gelobt « , flüsterte Corba, die auf den Dachboden gestiegen war und ihre Tochter in die Arme nahm. Tiessa wehrte sich nicht mehr gegen ihren Trost. Sie schmiegte sich an die Mutter und weinte lange an ihrer Schulter, genauso, wie sie es als kleines Mädchen manchmal getan hatte.

10
    G ottfried von Perche genoss die sonnigen Wintertage, den hohlen Klang der Hufe auf den gefrorenen Wegen, den weißlichen Atemnebel, der um die Nüstern der Pferde wehte. Prickelnd drang die Kälte durch Gewandrock und Beinlinge in die Haut, ließ das Blut rascher fließen und reinigte den Kopf von trüben Gedanken. Er liebte auch die Gesellschaft seiner Getreuen, mit denen er jetzt fast täglich ausritt, um sich im Waffengang zu üben. Weshalb hatte er so lange dort oben im Turm gehockt? Sich in Bücher

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