Die Braut des Kreuzfahrers
stieg über die Tücher und Verbände hinweg, die überall auf dem Boden herumlagen, und kniete neben dem Bett nieder. Eine alte Frau, die dort gekauert hatte, rückte scheu zur Seite, und Tiessa sah, dass ihr Tränen über die faltigen Wangen rannen.
» Bringt das Räucherwerk hinaus und heizt den Ofen nicht mehr « , hörte sie Corbas ruhige Stimme. » Ich brauche kochendes Wasser und eine Kanne, die zuvor gut ausgewaschen wurde. Halte mir die Kerze, Tiessa. «
Corba wickelte vorsichtig die Binden vom Arm der jungen Frau, und der Eitergeruch wurde nun so heftig, dass Tiessa sich zusammennehmen musste. Die Kranke öffnete die Augen und machte einen schwachen Versuch, Corba ihren Arm zu entziehen, dann drehte sie den Kopf zur Seite. Es schien ihr gleichgültig, was weiter mit ihr geschah.
Tiessa sah zu, wie die Mutter die Wunde mit einem Tuch von der anhaftenden Salbe und den Kräutern reinigte und danach den Eiter herauszudrücken versuchte. Es war schwierig, denn die Kranke stöhnte und wehrte sich.
» Musst du sie so quälen? Der Eiter ist gut, je mehr die Wunde eitert, desto eher reinigen sich die Körpersäfte. Die Ärzte haben Hasenhaar und Wollfäden in die Wunde gelegt … «
» Ich tue, was ich gelernt habe – wenn Ihr meine Dienste nicht wünscht, werde ich wieder gehen, Herr. «
Wie mutig die Mutter war! Tiessa konnte kaum fassen, dass es Corba war, die dem Burgherrn diese entschiedene Antwort gegeben hatte. Doch war er überhaupt noch Herr dieser Burg? Er kniete auf der anderen Seite des breiten, geschnitzten Bettes und starrte mit weit geöffneten Augen auf Corbas Tun. Abscheu und Hilflosigkeit lagen in seinen Zügen. Wie lächerlich er sich benahm. Er war ein Ritter, hatte in etlichen blutigen Fehden gegen die Bellèmes gekämpft – solch eine Wunde sah er gewiss nicht zum ersten Mal. War das der Mann, der Spione nach Alençon geschickt hatte? Der Ivo Beaumont vor Wochen so kühl aus seinem Dienst entließ und davonjagte? Sie hätte jetzt über ihn spotten können, wie er so verzweifelt mit dem Oberkörper über den Polstern lehnte und die Hand ausstreckte, um die fiebrig heiße Wange seiner Frau zu berühren. Aber seltsamerweise war Tiessa nicht nach Spott zumute, sie empfand Staunen und Mitleid.
Ein Narr sei er, hatte der Vater gesagt. Tiessa kam es auf einmal so vor, als sei er ein ganz ungewöhnlicher Mensch, denn er liebte diese junge Frau mit solcher Kraft, dass nichts anderes auf Erden für ihn mehr Bestand zu haben schien. War eine solche Liebe nicht selten und kostbar wie ein Diamant? Wie glücklich konnte eine Frau sein, die so geliebt wurde.
Sie sah auf die junge Frau hinab, die in dem großen Ehebett so ungemein zart erschien. Ihr Haar war blond und in Locken gelegt, jetzt war es strähnig vom Schweiß. Ihre Züge erschienen Tiessa fast herb, was sicher an ihrer Krankheit lag, denn die Wangen waren eingesunken, die Umgebung der geschlossenen Augen dunkel geschattet. Das Kinn war eckig, und die Kieferknochen standen ein wenig vor – es konnte schon sein, dass sie einen festen Willen hatte.
Man hob ihren Oberkörper an, damit sie von dem Sud trinken konnte, den Corba inzwischen bereitet hatte. Richenza schluckte nur wenig und verzog das Gesicht.
» Honig « , murmelte sie. » Tut Honig hinein. «
» Rasch! « , rief der Burgherr. » Schafft Honig herbei. Auch den süßen Zucker, den wir gekauft haben. Zimtstangen und Anis … «
Die alte Frau raffte sich auf, eilte davon. Man hörte sie auf der anderen Seite des Vorhangs Befehle erteilen.
Tiessa sah ihre Mutter lächeln, es war das erste Mal, seitdem sie sich hier auf der Burg befanden.
» Geh jetzt, Tiessa « , entschied Corba. » Ich brauche dich nicht mehr. «
» Aber … soll ich dir nicht helfen, Mutter? «
» Nein. «
Enttäuscht stand sie auf, verneigte sich vor dem Burgherrn, der sie kaum beachtete, und verließ das Gemach. Während sie dem Pagen folgte, der sie durch den schwach beleuchteten Treppengang nach draußen führte, sah sie immer noch das große, schön geschnitzte Bett vor sich, von einem Baldachin aus rotem Brokatstoff überspannt, der in üppigen Falten zu den Seiten hin abfiel. Wie seltsam, dass diese schmale junge Frau, die gar nicht schön und noch dazu krank war, solche Macht in ihren Händen hielt.
12
C orba blieb drei Tage und drei Nächte auf der Burg. Jean berichtete voller Stolz, dass die junge Burgherrin keine Tagträume mehr habe, das Fieber nur noch am Abend käme und der Arm um die Wunde
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