Die Braut des Kreuzfahrers
Turms düster und eng. Der steinerne Treppengang wurde nur hie und da von einer Wandfackel beleuchtet und war so schmal, dass zwei Menschen Mühe hatten, aneinander vorbeizugehen. Küchendünste stiegen ihr in die Nase, es roch nach Weizengrütze und Kohl, auch nach erhitztem Wein, in den man Zimt gemischt hatte. Hinter einer halbgeschlossenen Tür wurde lauthals gestritten, Würfel rollten. Für einen Augenblick sah sie im rötlichen Schein einer Fackel das Gesicht eines Ritters, die Augen weit aufgerissen, der Mund zu höhnischem Gelächter verzerrt. Nur ein kurzer Blick war ihr in die große Halle vergönnt, in der man doch so festlich tafelte und in schönen Gewändern umherging – zumindest hatte das der Vater erzählt. Die Pforte stand weit offen, hinten im Raum brannte ein Feuer im Kamin, und einige Lampen rauchten vor sich hin. Ritter und Knappen lungerten herum, lagen auf Strohsäcken und schliefen oder hockten um ein Brettspiel. Tiessa konnte auch eine junge Magd erkennen, die bei einem Knappen saß und das Kleid bis über die Knie hochgezogen hatte. Es roch nach Feuchtigkeit und Urin. Wahrscheinlich erleichterten sich die Männer in den Ecken des Treppenaufgangs, weil sie keine Lust hatten, bei dieser Kälte nach draußen zu gehen.
» Tretet zur Seite! « , rief der Page den Entgegenkommenden mit heller Kinderstimme zu. » Das ist die Heilerin, der Burgherr erwartet sie. «
Die Mägde, die Körbe und Geschirr nach unten trugen, pressten sich an die Mauer. Einige schienen bekümmert, andere waren gleichmütig und schüttelten die Köpfe, als die beiden Frauen an ihnen vorübereilten.
» Die wird ihr auch nicht mehr helfen können. «
Corba schien von all diesen Dingen unberührt. Mit verschlossener Miene stieg sie die Stufen hinauf, sah niemandem ins Gesicht, kümmerte sich weder um das Geschwätz noch um die neugierigen Blicke der Mägde.
Wo waren sie jetzt? Der Treppenaufgang war verwinkelt, man bog immer wieder um eine Ecke, Pforten erschienen, an denen der Page sie vorüberführte, Vorhänge wehten. Dann, endlich, öffnete der Kleine eine halbbogenförmige Tür aus starken Eichenbrettern, an die breite Eisenbeschläge genagelt waren.
Ein Zauberreich tat sich für Tiessa auf. Ja, so hatte sie sich die Gemächer des Grafen vorgestellt, voller bunter Bilder an den Wänden, Ritter und Pferde, Heilige in langen, fremdartigen Gewändern, ineinander verschlungene Pflanzen, Hügel mit schönen Burgen … Lampen hingen von der Decke herab. Die kleinen Flammen flackerten leise im Luftzug, und es schien ihr, als bewegten sich die gemalten Figuren wie lebendige Wesen. Blinkte dort nicht Silber? Schön geformte Gefäße standen auf Wandregalen aufgereiht, grünliches, durchsichtiges Glas spiegelte den Lampenschein, Wasserkannen, wie Menschen oder auch wie Tiere geformt, bunt bemalte Vasen aus einem Ton gebrannt, der weiß wie Schnee war.
» Gott sei gelobt! «
Ein Vorhang war beiseitegeschoben worden, und Tiessa erblickte Gottfried von Perche. Nicht einmal in der Burgkapelle war sie ihm so nahegekommen. Sie erschrak ein wenig, denn jetzt erkannte sie deutlich die vielen kleinen Narben auf seinen Wangen. Wie bleich er war! Sein Haar war zerrauft, sein grüner Rock zerknittert und die Knie seiner Beinlinge ausgeleiert.
Er winkte sie mit einer hastigen Bewegung herbei, hielt sogar den Vorhang für sie beiseite und redete dabei unaufhörlich mit leiser, heiserer Stimme. Doch es war solch ein Wirrwarr, dass Tiessa kaum begriff, was er ihnen eigentlich sagen wollte. Die Ärzte, die ihr Rosenöl gegen das Fieber gegeben hatten, der Eiter in der Wunde, der ein gutes Zeichen sei, die Hühnerfedern, die Fasern von Hanf, die Tränke von Ysop und Balsam, die Gebete der Mönche, das Räucherwerk, das die Geister vertreiben sollte …
Im Gemach der Burgherrin war die Luft so heiß und stickig, dass es Tiessa fast schlecht wurde. Man hatte den gemauerten Ofen eingeheizt und dazu ein Räucherbecken aufgestellt, aus dem ein feiner weißlicher Dunst aufstieg. Weihrauch mischte sich mit Kampfer und fremdartigen Essenzen, darunter war Schweiß und süßlicher Fäulnisgeruch.
Die junge Burgherrin lag unbeweglich auf dem Rücken. Ihr Gesicht war gerötet und glänzte, die Lippen waren jedoch trocken, die Augen geschlossen.
» Sie hat vom Paradies geredet, von den Gesängen der Engelschöre, die sie zu hören glaubte, von dem Glanz, der Christi Thron umgibt … «
Corba kümmerte sich nicht um die Reden des Burgherrn. Sie
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