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Die Braut des Kreuzfahrers

Die Braut des Kreuzfahrers

Titel: Die Braut des Kreuzfahrers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hilke Mueller
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habe nichts auf der Burg verloren, stattdessen solle er auf dem Hof bleiben und Millie zur Hand gehen, die die Felle auf dem frischen Schnee ausbreiten und klopfen wollte.
    Im Ort hatte sich Unruhe verbreitet. Man sah Kinder und Frauen umherlaufen, auf den Wegen zwischen den eingezäunten Häusern und Gärten war der Schnee von vielen Füßen niedergetreten. Ein kleines Feuer brannte auf dem freien Platz vor der Kirche, darum scharten sich die Bettler, jämmerliche Menschen, die meist nur wenige Lumpen an den ausgezehrten Leibern trugen, die Füße bloß, die Gesichter von Krankheit und Hunger entstellt. Meist scheuchte man sie zornig davon, denn sie hatten das Feuerholz gestohlen oder aus den Zäunen herausgebrochen, doch heute kümmerte sich niemand um sie. Eine seltsame Gestalt zog alle Aufmerksamkeit auf sich.
    Ein Mönch war auf ein Regenfass gestiegen, dessen Inhalt zu Eis gefroren war. Er schien zu predigen, denn er schwang die Arme hin und her, als sei er ein Baum, durch dessen Äste der Wind fuhr. Schnee lag auf den Schultern seines ausgefransten Habits, und wenn er sich emporreckte, sah man seine dürren, nackten Knöchel.
    » Tut Buße, denn das Strafgericht Gottes ist nahe. Völlerei und Habgier hausen in den Klöstern, Unzucht geht um in den Burgen, wir alle sind von teuflischen Dämonen zur Sünde verführt und verdammt, in Satans Reich hinabzustürzen … «
    Es hatten sich etliche Bewohner des Orts um ihn versammelt. Einige starrten ihn mit offenen Mäulern an, andere feixten, wieder andere, darunter auch einige Kinder, hatten vor Entsetzen zu weinen begonnen.
    » Gehen wir rasch vorbei « , sagte Corba und fasste die Tochter am Arm. » Das ist ein Irrsinniger, der glaubt, die Stimme Gottes zu sein. «
    » Oder ein heiliger Mann « , murmelte Tiessa.
    Sahen Heilige so aus? Hatten sie solch struppiges graues Haar, eine Nase wie ein Haken, einen Mund, in dem nur zwei gelbe Zahnstummel geblieben waren? Im Vorübereilen hörte sie seine heisere Stimme, die sich hin und wieder überschlug, und sah, wie der Geifer ihm aus den Mundwinkeln rann. Dennoch gab es viele Zuhörer, die gebannt zu ihm aufsahen, denn er schilderte die Qualen der Hölle so eindringlich, als habe er selbst noch vor kurzer Zeit dort gesessen. In glühenden Kesseln brannten die Verdammten, nackt und bloß, Männer wie Weiber, kopfüber, kopfunter. Kleine schwarze Teufel stachen ihnen mit langen Spießen in die Geschlechtsteile, zerrten an ihren Haaren, verdrehten ihnen die Glieder. Nichts könne die Qualen endigen, sie währten ewig wie Gott der Herr und seine Engel …
    » Ist es wahr, dass nichts uns von der Hölle erlösen kann? « , fragte Tiessa ihre Mutter, als sie hinauf zur Burg stiegen.
    Corba antwortete nicht gleich, denn man musste auf dem schneebedeckten, felsigen Weg gut aufpassen, wohin man die Füße setzte, um nicht auszugleiten.
    » Gottgefällige Werke können helfen. Spenden an die Kirchen und die Klöster. Damit sie für uns beten und für unsere armen Seelen die Messe lesen. «
    Als sie vor dem Burgtor ankamen, standen beiden Frauen dichte Atemnebel vor den Gesichtern, so rasch waren sie gegangen.
    Die beiden Knechte, die das Tor bewachten, hatten sich Lappen um die Schuhe gewickelt, ihre Gesichter waren rot – nicht nur der Frost, auch der heiße Wein, mit dem sie der Kälte begegneten, war daran schuld.
    » Bist du die Heilerin? «
    » Corba, die Frau des Verwalters. Ich wurde zur Burgherrin gerufen. «
    » Und das Mädchen? «
    » Meine Tochter Tiessa. «
    Ein rothaariger Page kam angelaufen. Er bibberte vor Kälte, und seine großen Schneidezähne hatten sich in die Unterlippe gegraben.
    » Was fragt ihr so lange herum, Saufköpfe? Der Burgherr will, dass ich sie sofort hinaufführe. «
    Die beiden Frauen konnten dem Knaben kaum folgen, so rasch sprang er voraus. Vermutlich hatte er hinter dem Tor auf sie warten müssen und war jetzt froh, wieder in die warmen Burggemächer zu gelangen. Die beiden Wächter riefen einige Scheltworte hinter ihnen her, drohten dem Pagen ein paar Maulschellen wegen seiner Frechheit an, doch den Kleinen schien ihr Ärger wenig zu kümmern.
    Corba sah weder nach links noch nach rechts, während sie dem Pagen über den Burghof zum Turmeingang folgten. Tiessa dagegen nahm mit offenen Sinnen jede Einzelheit wahr. Sie hatte den Vater oft ausgefragt, wie es denn oben in dem mächtigen Burgturm aussah, und er hatte ihr wunderbare Dinge beschrieben. Jetzt aber erschien ihr das Innere des

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