Die Braut des Kreuzfahrers
Tiessa hat sich als Hausherrin sehr gut bewährt. «
» Du Lügner! Hast du auch nur ein einziges Mal getan, was ich dir aufgetragen habe? « , meinte Tiessa schmunzelnd.
» Immer, Schwesterlein. Ich habe mir nur ein wenig Zeit damit gelassen, damit du nicht gar hochmütig wirst! «
» Von jetzt an ist es aus mit der Faulheit, du wirst der Mutter wieder gehorchen müssen. «
» Was für ein Jammer « , seufzte Jordan und sein breites Gesicht leuchtete rosig vor Freude, denn auch er hatte Corba unendlich vermisst.
Die Mutter gönnte sich keine Ruhe. Sie lief im Haus umher, sah in den Ställen nach dem Rechten, lobte und tadelte und sorgte dafür, dass die Kisten und Bündel, die man im Hof abgeladen hatte, hinauf in das Wohngemach getragen wurden. Bald kamen Nachbarn und Freundinnen zu Besuch, auch solche, die man lange nicht gesehen hatte. Man musste sie bewirten, während sie neugierige Fragen stellten. Ob es wahr sei, dass die Burgherrin von einem bösen Geist besessen sei? Ob die Äbtissin von St. Cathérine den Dämon durch die Kraft ihrer Frömmigkeit besiegt habe, sodass er aus dem Mund der Burgherrin mit Heulen und Stöhnen herausgefahren sei? Ob der Burgherr tatsächlich so grässlich entstellt sei, wie man immer erzähle? Und ob es wahr sei, dass es dort oben im Turm überall wie Gold und Silber glänze. Säcke voller Pfefferkörner, Zimt, Kardamom und Aloe solle es dort geben, und die Herrin bade täglich in süß duftenden Ölen und Seifen …
Corba versuchte, jedem eine Antwort zu geben, ohne allzu viel über die Gebräuche in der Burg zu schwatzen, die ohnehin durch die Dienstboten längst bekannt waren. Auch ihre Enttäuschung über die Undankbarkeit der Richenza behielt sie für sich. Dafür lobte sie den Burgherrn, der ein edler und frommer Mann sei, ein Vorbild der Ritterschaft, dazu ein gütiger Mensch und ein gerechter Herr. Tiessa wusste, dass die Mutter jedes Wort so meinte, wie sie es sagte. Dennoch erschien es ihr recht übertrieben. Gottfried von Perche mochte gute Eigenschaften haben, er liebte seine Frau über alles, das hatte auch Tiessa an ihm gefallen. Aber deshalb musste er nicht gleich ein Vorbild der Ritterschaft sein. Und ob er ein gerechter Herr war, daran hatte Tiessa ihre Zweifel.
» Leg dich endlich zur Ruhe, Mutter « , schalt Tiessa, als der Strom der Neugierigen gar nicht abreißen wollte. » Du brauchst deinen Schlaf – wir kommen auch ohne dich zurecht, bis der Vater am Abend zurückkehrt. «
Corba ließ sich nur schwer überreden, doch als auch Jordan und Millie sie baten, stieg sie endlich hinauf, um sich ein wenig auf das Lager zu legen. Millie und Tiessa kümmerten sich indessen um die aufdringlichen Besucher, die immer noch in der Küche herumsaßen, schwatzten und sich bedienen ließen und dabei in alle Ecken schauten, ob nicht irgendwo eines der silbernen Gefäße oder ein goldener Becher versteckt war.
» Wenn sie nicht bald gehen, werfe ich Wacholderzweige in den Kamin « , flüsterte Millie. » Dann raucht es so, dass alle husten müssen. «
Millies Bauch wölbte sich schon, und sie streckte ihn beim Gehen stets ein wenig vor, da sie ungemein froh über die Schwangerschaft war. Ihr schmales Gesicht hatte jetzt oft einen sanften, fast zärtlichen Ausdruck, und sie war bemüht, anderen behilflich zu sein. Tiessa empfand die Schwägerin nun immer mehr als eine Freundin, mit der man zwar nicht allzu viel anfangen konnte, die man aber dennoch gern in seiner Nähe hatte. Es war seltsam, wie eine Schwangerschaft doch eine Frau verändern konnte – vielleicht würde auch die junge Burgherrin bald weniger spöttisch sein. Tiessa wünschte es ihr, denn es hatte sie verletzt, dass Richenza ihre Mutter so wenig schätzte.
Corba blieb nicht lange oben in der Schlafkammer. Noch vor dem Abend fand Tiessa sie im Wohnraum, wo sie sich an den Bündeln und Kisten zu schaffen machte.
» Ich bin zu unruhig, um Schlaf zu finden « , meinte sie. » Lass uns gemeinsam diese Dinge auspacken, damit wir überlegen können, wie wir sie unter uns aufteilen. «
Obgleich Tiessa vor Neugier brannte, schüttelte sie doch den Kopf, denn die Mutter erschien ihr erschöpft und ihre Augen hatten einen seltsamen Glanz.
» Was hast du an der Hand? «
Corba hatte eine Binde um die linke Hand gewickelt, die sie nun rasch unter dem langen Ärmel verbarg.
» Nichts. Ich habe mich geschnitten, als ein Glasgefäß zerbrach. «
» Lass mich sehen, Mutter. «
» Willst du meine Meisterin
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