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Die Braut des Kreuzfahrers

Die Braut des Kreuzfahrers

Titel: Die Braut des Kreuzfahrers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hilke Mueller
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allen, Corbas Schlummer zu stören. Man bewegte sich auf Zehenspitzen und erschrak, wenn die Dielen unter den Schritten knarrten. Jordan hätte sich am liebsten selbst geohrfeigt, als ihm ein Arm voller Feuerholz mit lautem Gepolter auf die Stiege fiel.
    Man saß nur kurze Zeit miteinander in der Küche, um zu essen, dann machte Jean den gewohnten Rundgang durch das Anwesen, und alle stiegen hinauf, um sich zur Ruhe zu legen. Jean blieb eine Weile im Wohnraum stehen und leuchtete mit seiner Laterne über die ausgebreiteten Geschenke, die Tiessa jetzt auf einmal so fremdartig erschienen, als habe man die Schätze des Königs Salomon in ihr Haus getragen. Jordan starrte mit ungläubigen Augen auf die Kostbarkeiten, Millie hielt rasch die Hand vor den Mund, damit ihr kein Laut entschlüpfte.
    » Solcher Reichtum! « , flüsterte sie. » Was für eine Pracht! «
    » Gehen wir zur Ruhe! «
    Die Nacht lag dunkel und schweigend auf dem Haus. Kein Wind rüttelte an den losen Brettern im Stall, kein Regen tropfte vom Dach auf den Hof hinunter, nicht einmal die Hunde im Ort bellten. Es war die Zeit, in der Geister und Dämonen die Häuser der Menschen umschlichen und verlorene Seelen umherirrten, die in der Finsternis um Erlösung weinten. Sie hatten viel Zeit für ihr schlimmes Tun, denn diese Nacht war die längste des ganzen Jahres.
    Tiessa wachte auf, weil der Vater sie fest am Arm rüttelte. Das Haar hing ihm wirr in die Stirn, sie konnte die kleinen roten Äderchen sehen, die das Weiße seiner Augen wie ein Netz durchzogen.
    » Bereite der Mutter einen Trank. Sie fiebert. Rasch! «
    Er ließ ihr keine Zeit zur Antwort, sondern verschwand gleich wieder. Sie hörte seine bloßen Füße, das Licht hatte er in seiner Hast mitgenommen. Angst erfasste sie, eine kalte, abgrundtiefe Furcht, wie sie sie noch nie zuvor gespürt hatte. Die Mutter fieberte. Jetzt vernahm sie auch ihre Stimme. Sie klang seltsam, als gehöre sie nicht Corba, sondern einer anderen, unbekannten Frau.
    Millie erschien mit einem Licht. Zu zweit liefen sie die Stiege hinab in die Küche, wo Tiessa Töpfe und Tiegel durcheinanderwarf, bis Millie ihr die Hand auf die Schulter legte.
    » Schneide du die Kräuter von der Decke – ich mache Feuer und setze Wasser auf. «
    Millie war ruhig und besonnen, verrichtete eine Sache nach der anderen, zuverlässig und gründlich, wie sie es immer machte. Tiessa hingegen zitterte am ganzen Körper. Während sie die Lampe in die Höhe hielt, um die trockenen Kräuterbündel besser sehen zu können, hätte sie fast die ganze Küche in Brand gesetzt.
    » Es ist doch nur ein Fieber, Tiessa. Es wird bald vergehen. Sieh, das Feuer brennt schon, gib mir den Wassereimer … «
    Warum dauerte es eine Ewigkeit, bis das Wasser kochen wollte? Tiessa wählte Eberraute und Wermut, dazu die Blätter der Brombeere und auch Weidenrinde. Nicht zu viel und nicht zu wenig, alles im rechten Maß und aufeinander bezogen – so hatte Corba es sie gelehrt. Aber wie sollte man das rechte Maß finden, wenn die Hände zitterten und die Angst die Kehle zuschnürte.
    Jordan stolperte die Stiege hinunter. Er trug nur ein kurzes Hemd auf dem Leib, sein rechter Zeh blutete, denn er war im Dunkeln gegen einen Kasten gestoßen.
    » Rasch! « , keuchte er. » Was säumt ihr so lange! Sie ringt nach Luft und wird ersticken! «
    Es schien Tiessa, als sei ein böser Alpdruck wahr geworden. Die dunkle Stiege, die beiden Becher mit dem heißen Sud, die ihr die Hände verbrannten, die vielen Kerzen, die der Vater angezündet und überall verteilt hatte. Sie hörte den keuchenden Atem der Mutter, kniete neben ihr auf dem Lager und hob ihr den Kopf an, damit sie trinken konnte. Dann sah sie dunkle Flecke auf Corbas Händen und Armen.
    » Reiß die Bretter von der Fensternische, Jordan. Sie bekommt keine Luft! «
    » Nein! « , wehrte Jean zornig ab. » Draußen gehen die Dämonen um, wir dürfen sie nicht ins Haus lassen. «
    Corba hustete, sie konnte den Sud nicht schlucken. Kraftlos fiel ihr der Kopf in den Nacken. Sie redete wirr, verlangte bald nach einem Messer, dann schien sie zu glauben, auf den Zinnen der Burgmauer zu stehen, und sie versuchte, sich vom Lager zu erheben. Immer wieder stöhnte sie auf vor Schmerz, Schüttelfrost befiel sie, und ihr Atem ging so rasch und kurz, als läge ein schwerer Stein auf ihrer Brust.
    Wie lange hatten sie sich um sie gemüht? Der Morgen war noch fern, als Jean sich neben seine Frau auf das Lager legte und ihren

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