Die Braut des Kreuzfahrers
gekommen, um für die Frau des Verwalters zu beten und Abschied von ihr zu nehmen. Sogar der Burgherr selbst hatte sich eingefunden. In einen langen blauen Mantel gehüllt, stand er zwischen seinen Hofleuten, barhäuptig und ohne den Schwertgurt. Später erzählte Millie stolz, der Herr habe geweint und geschluchzt, genau wie alle anderen.
Tiessa und Jordan mussten den Vater stützen, während sie dem Zug zum Friedhof vorausgingen. Doch als die Kirchenknechte Corba in die nasse Erde hineinlegten, ging ein Ruck durch seinen Körper. Wären nicht rasch einige Nachbarn herbeigesprungen, um Jean Corbeille festzuhalten, dann hätte er sich in das frische Grab gestürzt, um Corba dort in der nassen Erde nicht allein zu lassen. Danach stand er reglos, folgte Tiessa später willig zurück zum Anwesen. Dort aber musste man ihn in die Kammer tragen, denn alle Kraft war aus seinem Körper gewichen.
Erst am Abend, als alle Gäste endlich fort waren und Millie die Schüsseln und Becher reinigte, lief Tiessa hinauf, um nach dem Vater zu sehen.
Jean saß mit dem Rücken an die Wand gelehnt auf dem Ehelager, und obgleich sein Gesicht vom Weinen verschwollen war, empfing er die Tochter mit aufmerksamem Blick.
» Sie wird der Hölle gehören, Tiessa « , sagte er bekümmert. » Ihre Sünde lastet so schwer, dass sie kaum erlöst werden kann. «
Tiessa war erleichtert, dass die Starre von ihm gewichen war und er wieder redete. Jetzt war die Zeit gekommen, ihn zu trösten, damit er neue Kraft schöpfte. Er war doch nicht allein zurückgeblieben, er hatte eine Familie, eine Tochter, die nichts unterlassen würde, um ihm das Verlorene zu ersetzen.
» Wir sind alle Sünder, Vater. Aber die Mutter weniger als viele andere, da bin ich ganz sicher. Ihr Leben lang hat sie uns allen nur Gutes erwiesen. «
Er schüttelte langsam den Kopf, traurig, wie ein Mensch, der um ein schlimmes Unglück weiß und sich nicht belehren lassen mag. Tiessa schnitt dieser Anblick ins Herz.
» Sie starb ohne den Segen des Priesters … «
» Das ist nicht wahr! « , begehrte Tiessa empört auf. » Der Priester hat ihr die Beichte abgenommen und die Sakramente gespendet, so wie es sich gehört. «
Geduldig hörte er sie an, doch er blieb beharrlich bei seiner Überzeugung. Der Priester hatte es ihnen zuliebe getan, denn Corba war bereits gestorben, als er das Haus erreichte.
» Ich war es, der sie in den Armen hielt, als die Seele aus ihrem Körper fuhr, Tiessa. Freilich hat der Priester behauptet, sie habe mit den Lidern gezuckt, als er die Fragen stellte, doch es war gelogen und Gott der Herr möge es ihm gnädig vergeben. Corba starb ohne den Segen der Kirche – ihre Seele ist deshalb verloren. «
Es klang schrecklich in Tiessas Ohren, denn der Vater sagte es mit solcher Ruhe und Überzeugung, dass es wahr sein musste. Aber die Mutter war eine gute Christin gewesen, und schließlich war es nicht ihre Schuld, dass der Priester zu spät kam. Tiessa hatte lange an seiner Tür klopfen müssen, bis ihr endlich geöffnet wurde. Auch hatte er eine ganze Weile gebraucht, um den Mantel umzulegen und die heiligen Geräte einzupacken.
» Es ist nicht nur das, Tiessa « , fuhr Jean hartnäckig fort.
Er schien ihr jetzt fast lebhaft, sein Gesicht hatte wieder Farbe bekommen. Während er sprach, furchte er die Stirn, wie er es immer tat, wenn er keinen Widerspruch wünschte.
» Was noch? «
» Es ist die schwere Sünde, die Corba auf sich lud, bevor ich sie heimführte. Die Sünde, die Jordans Geburt verursacht hat. «
Tiessa war verblüfft. Würde der Vater jetzt, nach Corbas Tod, endlich das Schweigen um Jordans Vater brechen? Einerseits war sie neugierig darauf, auf der anderen Seite aber scheute sie sich, in etwas einzudringen, das Corba immer vor allen verborgen hatte. Nicht einmal Jordan hatte erfahren, wer sein Vater war.
» Du meinst … was damals auf der Burg geschehen ist? « , fragte sie leise und zögerlich.
Der Vater sah einen Moment zur Seite und starrte in das flackernde Licht der Talglampe hinein. Als Tiessa schon fürchtete, der helle Schein könne ihm die Augen verbrennen, drehte er ihr das Gesicht zu.
» Was dort genau geschehen ist, weiß ich nicht, denn sie hat es mir niemals erzählt. Sie war jung, als ihre Eltern in Alençon starben. Man gab sie zu einem Verwandten, einem Sattler hier im Ort, der inzwischen fortgezogen ist. Der war nicht froh, eine weitere Esserin durchfüttern zu müssen, und seine Frau war es noch weniger.
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