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Die Braut des Kreuzfahrers

Die Braut des Kreuzfahrers

Titel: Die Braut des Kreuzfahrers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hilke Mueller
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Deshalb trug man Corba allerlei Botendienste auf, die der Sattler besser selbst erledigt hätte. So schickte er sie auch auf die Burg, einen Geldbetrag für ihn zu kassieren. Es war zu der Zeit, als Graf Rotrou gegen Heinrich Plantagenet zog und viele Ritter in der Burg versammelt waren. Der, mit dem sie in Sünde fiel, ist bald darauf im Kampf gestorben. «
    Ungläubig sah Tiessa den Vater an. Woher wollte er wissen, dass die Mutter mit diesem Mann in Sünde gefallen war? Konnte es nicht viel eher sein, dass der Ritter ihr Gewalt angetan hatte?
    » Sünde ist es allemal, wenn ein Weib einen Mann zur Unzucht verlockt « , beharrte der Vater. » Doch ich nahm Corba zu mir mitsamt ihrem kleinen Sohn, denn ich liebte sie vom ersten Augenblick an. «
    Auf der hölzernen Wandverkleidung war Jeans Profil als Schattenriss zu erkennen, die hohe Stirn, die scharfe Linie der Nase, das ein wenig vorgezogene Kinn. Er würde nicht von seiner Meinung abweichen, er hatte gründlich darüber nachgedacht. Es war müßig, mit ihm zu streiten, vor allem deshalb, weil sie seiner festen Überzeugung nur ihren Zorn und ihre Empörung über solche Ungerechtigkeit entgegensetzen konnte. Beides würde Jean nicht gelten lassen.
    » Gott wird gnädig mit ihr sein « , meinte sie hilflos. » Wir werden für sie beten und Totenmessen lesen lassen. Ich weiß ganz sicher, dass meine Mutter nicht in der Hölle bleiben wird. «
    Jetzt endlich flog ein schwaches Lächeln über seine Züge. Er beugte sich vor und strich mit einer unbeholfenen Bewegung über ihre Wange. Es fühlte sich eigenartig an, seine Hand war hart und die Finger steif.
    » Du hast recht, Tiessa. Sie wird nicht in der Hölle bleiben, denn ich werde sie daraus erlösen. «
    » Du, Vater? «
    Plötzlich kam eine Ahnung über sie und zugleich eine unsagbare Furcht. Doch Jean war vollkommen ruhig, kein Bedauern, nicht einmal Wehmut lag in seiner Stimme.
    » Ich werde mit dem Burgherrn ins Heilige Land reiten, Tiessa. So Gott will, werde ich an Christi Grab in Jerusalem für Corba beten und sie so von allen Sünden befreien. «
    » Nein! « , schrie sie in heller Verzweiflung. » Ich lasse dich nicht fort, Vater. Du darfst mich nicht auch noch verlassen! «
    » Tiessa! « , murmelte er sanft. » Mach es mir nicht so schwer. Ich muss es tun, denn ich weiß, dass Corbas Seele ohne meine Hilfe verloren ist. «
    Sie warf sich über ihn, zerrte an seinen Schultern und brach an seiner Brust in lautes Schluchzen aus. Jean strich ihr tröstend über den Rücken.
    » Du bist stark, meine kleine Tochter. Ich werde dir einen Vormund setzen, der dein Vertrauen hat, und wenn ich von meiner Fahrt zurückkehre … «
    Sie weinte so laut, dass er nicht weitersprechen konnte. Er war kein Kämpfer und schon über fünfzig Jahre alt – wie konnte er hoffen, gesund zurückzukehren, da doch so viele junge Ritter im Heiligen Land ihr Leben gelassen hatten?
    » Wenn ich zurückkehre, Tiessa, werde ich dich als Herrin meines Hauses wiederfinden, ich weiß, dass du alles wohl verwahren wirst. «
    » Nein! «
    Sie wand sich aus seinen Armen und strich sich das Haar aus dem nassgeweinten Gesicht. In ihren zusammengekniffenen Augen blitzte der Trotz.
    » Wenn du das wirklich tun willst, Vater, dann werde ich mit dir gehen! «
    » Du dummes Kind. «
    Doch sie ließ sich von seinem Widerspruch nicht beeindrucken. Auch sie konnte hartnäckig sein, auch ihr Entschluss war fest und unverrückbar. Schließlich war sie seine Tochter.
    » Lass uns schlafen, es ist schon spät « , seufzte er schließlich. » Morgen wirst du einsichtiger sein. «

14
    D as Fest der Geburt des Herrn war in diesem Jahr mit großer Pracht begangen worden. Geistliche Würdenträger aus der ganzen Umgebung waren dazu angereist, auch die Äbte von St. Denis und St. Tiron waren gekommen, denn der Burgherr hatte es ihnen befohlen. Am späten Nachmittag hatte man die heiligen Reliquien in einer Lichterprozession durch den Ort getragen. Ein langer, feierlicher Zug, von vielen Fackeln und Laternen beleuchtet, in deren Schein die kostbaren Reliquienschreine und die bunten, silberbestickten Gewänder noch eindrucksvoller erschienen als bei hellem Tageslicht. Vor der Kirche hielt der Zug an. Dort sprach der Burgherr zu den Menschen, und der Priester hielt eine Predigt. Danach bewegte sich die Prozession zur Burg hinauf. Es waren viele Menschen aus den Dörfern herbeigekommen, die ihre Kranken mitführten. Krüppel und Arme hatten sich eingefunden, und

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