Die Braut des Kreuzfahrers
fieberheißen Körper mit den Armen umschlang.
» Hol den Priester, Jordan « , sagte er mit einer Stimme, die zerbrochen schien.
Jordan schluchzte wie ein kleines Kind. Er schwankte und klammerte sich verzweifelt an Millie fest. Es war Tiessa, die durch die nachtschwarzen Gassen des Ortes zum Haus des Priesters eilte. Die kleine Laterne in ihrer Hand und ihre Gebete an die Jungfrau Maria schützten sie vor Geistern und Spukgesichtern.
Als sie mit dem Priester zurückkehrte, hatte Corba in den Armen ihres Mannes den letzten Atemzug getan.
13
T iessa hatte geglaubt, vor Verzweiflung sterben zu müssen, als ihre Liebe zerbrach – doch wie lächerlich gering war dieser Kummer gewesen. Jetzt erst verspürte sie, wie unbarmherzig das Schicksal zuschlagen konnte, wie hart Gott der Herr die Sünder strafte.
War es ihre Schuld gewesen? Sie hatte ihre sündige Leidenschaft nicht gebeichtet, nichts getan, um Vergebung zu erlangen. Gott der Herr war gerecht. Waren die Tränke, die sie so hastig zubereitet hatte, aus diesem Grund wirkungslos geblieben? Hatte sie der Mutter nicht helfen können, weil sie selbst voller Sünde war? Aber welche Sünde konnte ihr Vater begangen haben? Jordan? Und Corba selbst?
Sie wusste es nicht, konnte es sich nicht erklären. Auch fehlte ihr die Zeit, darüber nachzugrübeln, denn die unabdingbaren Vorbereitungen nahmen all ihre Kraft in Anspruch. Sie musste für das Begräbnis der Mutter sorgen, ein Grab kaufen und der Kirche Spenden geben, die Klagefrauen bezahlen, die Gäste verköstigen. Sie stritt sich mit den faulen Kirchenknechten herum, damit das Grab ausgehoben wurde, bevor der Frost wiederkam, zahlte ihnen zornbebend ein Aufgeld und musste sie dennoch antreiben. Sie wies Millie an, welche Speisen vorbereitet werden mussten, schickte Jordan zum Kloster St. Denis, um Kerzen für die Totenwache zu kaufen. Niemand außer ihr kümmerte sich um diese Dinge, die doch zu Ehren der toten Mutter geschahen, denn Jordan war wie von Sinnen vor Kummer und Millie hatte nie in ihrem Leben über den engen Kreis ihrer häuslichen Verrichtungen hinaus denken können. Der Vater aber war seit Corbas Tod wie versteinert.
Jean, der immer so klug und weitsichtig für sie alle gesorgt hatte, war seit dem Tod seiner Frau nur noch ein Schatten seiner selbst. Man hatte ihn mit Gewalt von der Toten lösen müssen. Danach saß er stumm im Wohnraum neben dem aufgebahrten Leichnam, nahm weder Speise noch Trank zu sich und weinte. Sein Geist schien weit entfernt, er achtete nicht darauf, wer in den Raum trat, erkannte weder die Nachbarn noch die eigenen Verwandten. Seine Augen waren auf die Tote gerichtet, und sein Weinen geschah ohne einen Laut.
» Wenn Corba erst begraben ist, wird er schon wieder essen « , meinte Millie, die der Meinung war, dass ein Mensch, der Nahrung zu sich nahm, auch nicht krank sein konnte.
Tiessa hoffte inständig, dass die Schwägerin recht hatte, doch insgeheim war sie voller Zweifel. Der Vater war auf so schreckliche Weise verändert, als habe Corbas Tod sein ganzes Wesen mit fortgenommen und nur eine leere Hülle zurückgelassen. Dennoch pflichtete sie Millie bei, um ihrer Schwägerin keinen Kummer zu bereiten – vor allem jetzt nicht, da sie ein Kind trug. Ihre Sorgen behielt Tiessa für sich, es gab niemanden, mit dem sie sie hätte teilen können.
Woher nahm sie die Kraft, tagsüber umherzulaufen, tausend Dinge zu regeln, für alle zu denken, zu sorgen und dann die Nacht an der Bahre der toten Mutter zu wachen? Sie hatten Corba eines der kostbaren Gewänder angelegt, das ihr der Burgherr zum Geschenk gemacht hatte. Tiessa war stolz darauf, dass sie so prächtig gekleidet ins Grab gelegt werden würde. Das Gesicht der Mutter erschien ihr friedlich, und sie war davon überzeugt, dass die Kraft, die sie erfüllte, von ihrer Mutter kam. Corba würde über ihr wachen. Mit den Engeln Gottes würde die Mutter sie umschweben und sie vor allem Übel schützen, wie sie es auch in ihrem irdischen Leben immer getan hatte.
Am Tag des Begräbnisses hüllte man den Leichnam in weiße Tücher und trug ihn zum Kirchhof hinüber, wo das leere Grab Tiessas Mutter erwartete. In der Nacht hatte die Kälte weißlichen Raureif an Ästen und Halmen wachsen lassen. Jetzt wurde der eisige Schmuck durchsichtig, und man hörte überall das leise Knistern und Flüstern, mit dem die Erde die herabrinnenden Tröpfchen in sich aufnahm. Fast alle Leute aus dem Ort und auch etliche von der Burg waren
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