Die Braut des Kreuzfahrers
Godvere liebte dieses Spiel, und ihre Dienerin hatte wenig zu lachen. Einmal hatte Godvere sogar nach Tiessa geschlagen, doch sie hatte es niemals wieder gewagt, da Yolanda ihr Gesinde verteidigte.
» Lass deine krummen Finger von meiner Magd, alte Krähe! «
Die einzige Frau, mit der Tiessa gern zusammensaß, war Beatrice von Chenet, die keineswegs eine Schönheit war, wie ihr Name eigentlich andeutete. Beatrice war noch jung, aber sehr hager und ihr Gesicht durch ein zu langes Kinn ein wenig entstellt. Sie war immer sehr blass, was ja überall als schön galt, allerdings machte eine große Anzahl kleiner und größerer Sommersprossen die Wirkung ihrer weißen Haut zunichte. Ihr Haupthaar war voll und schimmerte im Licht rötlich, doch sie verbarg es meist unter ihrer Haube, da sie nicht eitel war.
» Soll ich dir ein wenig zur Hand gehen? « , fragte Beatrice nun auch, denn sie sah, dass das Mädchen mit der Flickerei gar nicht mehr zu Ende kam.
» Wenn Ihr das wirklich tun wollt – das wäre großartig! «
Tiessa rückte zur Seite, um Beatrice Platz zu machen, und erntete leises Kopfschütteln, als sie ihr die Näharbeit zeigte.
» Ich weiß « , seufzte sie. » Ich wünschte manchmal, meine Schwägerin Millie wäre mit uns gekommen. Sie kann so kleine Stiche machen, dass jede Naht gleich wie eine feine Stickerei aussieht. Bei mir schaut es aus, als wäre ein Zug Ameisen über das Gewand gelaufen. «
Sie schaffte es fast immer, die ernste Beatrice zum Lächeln zu bringen, so auch jetzt. Sie nahm Tiessa den Stoff aus der Hand, zog geschickt einige Fäden heraus und glättete die Naht mit dem Finger, bevor sie ihre Stiche setzte. Bewundernswert zierlich und vollkommen gleichmäßig tauchten sie in den Stoff hinein und waren kaum noch zu sehen.
» Wie schön, dass du meiner Magd das Nähen beibringst « , bemerkte Yolanda bissig. » Aber ich glaube … «
Ein Klopfen an der Tür unterbrach sie, und alle Frauen, sogar die stets lethargisch daliegende Amicia hoben aufgeregt die Köpfe. Seit Tagen wartete man auf die erlösende Nachricht, dass die Pilgergruppe endlich in See stechen konnte. Zwei der Mägde mussten rasch einige Hemden und andere Dinge in die Truhen stopfen, dann öffnete man die Tür. Auf der Schwelle stand Jean Corbeille.
» Vater! «
Ein Sortiment von Fäden und einige Nadeln verteilten sich im Raum, als Tiessa von ihrem Sitz sprang. Die alte Godvere keifte, ob dieses junge Ding es auf ihre Augen abgesehen habe. Doch Tiessa hörte nichts, sie lag in den Armen ihres Vaters und schmiegte sich an seine Brust.
» Bist du auch gesund? Ist das Fieber nicht zurückgekommen? « , forschte sie ängstlich und besah sein Gesicht.
Jean erschien ihr zwar mager, seine Augen umschattet, doch er lächelte sie an und schien ihr nun endgültig verziehen zu haben. Sanft schob er sie zurück und grüßte die adeligen Frauen mit einer tiefen Verneigung. Nein, leider bringe er keine Botschaft des Herrn von Perche, wie es schien, habe sich immer noch kein passendes Schiff gefunden. Die Schiffseigner – Gott vergebe ihnen die Sünde – seien habgierige Menschen, die die Pilger für teuren Lohn unter unwürdigen Bedingungen beförderten, manchmal sogar im Laderaum des Schiffes eingepfercht. Deshalb wolle der Herr von Perche mehrere Schiffe für seine Pilger mieten, denn man müsse ja auch an das Gepäck, die Wagen und die Pferde denken.
» Im Laderaum? « , rief die alte Godvere entsetzt. » Heilige Gottesmutter, das ist ein Platz für das Gesinde und die Ratten – aber doch nicht für adelige Leute! «
» Gewiss nicht, Herrin. Deshalb wollen wir besser Geduld haben, bis sich die rechte Gelegenheit bietet. «
Er wandte sich nun an Yolanda von Villeneuve und bat sie um Erlaubnis, mit Tiessa einen kurzen Gang durch die Stadt unternehmen zu dürfen. Yolanda hob empört die Augenbrauen, als sei dies ein unglaublich dreistes Ansinnen, und blickte dann zu Tiessa hinüber, deren Gesicht vor Begeisterung und Vorfreude geradezu glühte.
» Meinetwegen. Da ja Beatrice sowieso Tiessas Arbeit übernehmen möchte … «
Als Tiessa sich artig bei ihrer Herrin bedankte, glaubte sie in deren Zügen ein kaum merkliches Grinsen zu entdecken. Yolanda war wirklich eine seltsame Frau – diese unterschwellige Heiterkeit hatte sie schon öfter an ihr bemerkt, doch selten hatte sie begriffen, worüber Yolanda sich amüsierte.
» Du hast mich aus dem düsteren Kerker befreit! « , jubelte Tiessa, als sie hinter dem Vater die
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