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Die Braut des Kreuzfahrers

Die Braut des Kreuzfahrers

Titel: Die Braut des Kreuzfahrers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hilke Mueller
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Gewänder. Dicht am Kai gestikulierten zwei hellhäutige Normannen und ein Sarazene, die um einen Stapel Kisten feilschten. Der Geruch des Meeres wehte Tiessa entgegen, salzig, modrig, voller Versprechungen und Geheimnisse. In das Stimmengewirr mischte sich Musik, eine Leier, Schellen, jemand sang.
    » Da drüben auf der anderen Seite des Hafenbeckens liegt die Abtei St. Victor, die immer noch die heiligen Reliquien bewahrt … «
    Sie warf nur einen kurzen Blick auf die braunen Abteigebäude am Fuß des weißen Felshügels, dann drehte sie sich um und ging einige Schritte, um den Gesang besser hören zu können. Es mussten Gaukler sein, wie sie auch hin und wieder in Nogent-le-Rotrou zu den Festen kamen. Bunt gekleidete Frauen mit Trommeln und Schellen, Männer, die auf Hörnern und manchmal sogar auf der Sackpfeife bliesen. Die Menge hatte Tiessa längst eingeschlossen und schob sie voran, bis die Menschen so eng beieinanderstanden, dass kein Durchkommen mehr war. Entzückt hörte sie zu, die Weisen klangen völlig anders, als sie es gewohnt war. Die Töne schwirrten umeinander wie ein Schwarm bunter Schmetterlinge, dazwischen wurde gesprochen und gelacht, und jetzt gelang es ihr sogar, sich zwischen zwei junge Burschen zu schieben, die ihr bisher die Sicht versperrt hatten.
    Jemand redete sie frech an, forderte sie zu etwas auf, das sie nicht verstand. Sie achtete nicht darauf und starrte voller Begeisterung auf die fremden Gaukler. Buntscheckig waren sie, die Gewänder aus Flicken zusammengenäht. Eine Frau war unförmig dick und bewegte sich mit erhobenen Armen zum Tanz. Ganz hinten saß ein schlanker Bursche, dem eine Fülle schwarzer Locken vom Kopf abstand. Er hielt eine Leier auf dem Schoß und schien der Sänger gewesen zu sein. Jetzt erhob er sich, verbeugte sich großspurig wie ein Ritter, während ein kleines Mädel umherflitzte und die Münzen einsammelte, die einige Zuschauer ihnen zuwarfen.
    Es gab keinen Zweifel – er war es! Aber wie war das möglich? Wie war er hierher nach Marseille gekommen? Noch dazu als ein Gaukler.
    » Ambroise! «
    Sie sah, dass er den Kopf hob. Hatte er ihre Stimme erkannt? Doch im gleichen Moment schob sich ein fetter Sarazene vor sie, sie wurde zurückgedrängt, und die Sicht war ihr endgültig versperrt.
    » Ambroise! «
    Sie war nicht bereit, so rasch aufzugeben. Ambroise war ein kleiner Gauner, ein Lügner, er hatte sich heimlich davongestohlen. Dennoch hatte sie ihn und seine wundersamen Einfälle häufig vermisst.
    Von einer Kirche her war die Mittagsglocke zu hören, und es schien, dass die Gaukler ihr Spiel beendet hatten, das Gedränge löste sich nun auf. Aufgeregt schob sie sich zwischen den Entgegenkommenden hindurch und reckte den Hals. Da! War das nicht das bunte Kleid der dicken Frau, die vorhin so seltsam wiegend getanzt hatte? Da konnte auch Ambroise nicht weit sein.
    » Tiessa! « , rief jemand hinter ihr.
    Es war Ivos aufgeregte Stimme. Einen Augenblick zögerte sie, denn sie begriff, dass sie sich schon ein ganzes Stück von ihrer Begleitung entfernt hatte. Da fiel ihr Blick auf den Stand eines Stoffhändlers, wo allerlei bunte Tücher im Wind flatterten, und sie glaubte, das schwarze, lockige Haar des Gesuchten entdeckt zu haben.
    » Ich bin hier, Vater « , rief sie über die Schulter und eilte davon.
    Sie hatte sich getäuscht, denn der Lockenkopf gehörte nicht Ambroise, sondern einer braunhäutigen Frau, die sich mit glänzenden Ohrringen und einem Stirnband aus bestickter Seide geschmückt hatte.
    » Ambroise? « , rief Tiessa hilflos. » Ambroise! «
    Die Frau lächelte sie an und schien verstanden zu haben, denn sie winkte ihr. Wie schön sie war. Sie trug ein Gewand aus violettem Stoff, auf den breite gelbe Streifen genäht waren, goldene Schnüre zogen das Kleid über der Brust eng zusammen, darüber baumelten bunte und silberne Halsketten.
    » Ich suche Ambroise. Den jungen Burschen, der die Leier gespielt und gesungen hat … «
    » Ambroise « , wiederholte die Schöne mit einer merkwürdig tiefen und rauen Stimme. Sie hatte volle Lippen, und ihre Augen waren ebenso schwarz wie die von Ambroise. Sie zog die Augenbrauen in die Höhe, was wie eine scherzhafte Aufforderung wirkte, dann drehte sie sich um und ging davon.
    » Tiessa! Tiessa! « , rief es hinter ihr. Das war ihr Vater.
    » Gleich! «
    Er konnte nicht weit sein, also folgte sie der Fremden in eines der engen Gässchen hinein. Es war dämmrig, denn die Häuser standen so eng

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