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Die Braut des Kreuzfahrers

Die Braut des Kreuzfahrers

Titel: Die Braut des Kreuzfahrers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hilke Mueller
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darauf, sondern wartete gespannt, was geschehen würde.
    » Du wirst hier bei den Johannitern zurückbleiben, Tiessa « , bestimmte Gottfried. » Wenn eine Pilgergruppe aus dem Heiligen Land oder aus Jerusalem auf der Rückreise hier Station macht, kannst du dich ihr anschließen und in ihrer Gemeinschaft ins Perche zurückkehren. «
    Es war eine übereilte Entscheidung, denn der Zorn war noch längst nicht von ihm gewichen. Im Gegenteil, Ivos schlaue Antwort hatte seinen Ärger neu entfacht. Er hatte es kaum ausgesprochen, da bereute er die Rede schon. In einer Pilgergruppe war eine einzelne, junge Frau keineswegs sicher. Man wusste nur zu gut, dass die Pilger sündigen Umgang mit ihren Genossinnen hatten und die Frauen nicht selten auch dazu zwangen, sich ihnen hinzugeben.
    » Wenn das Euer Wille ist, Herr « , sagte Jean mit gebrochener Stimme. » Dann werde ich selbst meine Tochter zurück in die Heimat begleiten. «
    » Und auch ich biete Tiessa auf dem Heimweg meinen Schutz, Herr « , rief Ivo. » Wenn sie ihn annehmen will, werde ich glücklich sein, denn ich stehe tief in ihrer Schuld. «
    Das hatte gerade noch gefehlt.
    Bevor Gottfried von Perche eine Lösung für diese ganz und gar verworrene Lage fand, wurde ihm ein göttliches Zeichen zuteil. Der erste, bleiche Morgenschimmer hatte inzwischen die schwarzen Umrisse der Berge sichtbar gemacht – plötzlich schien der Himmel über dem Gebirge auseinanderzubrechen, und in dem zackigen, senkrecht herabstürzenden Wolkenspalt strahlte gleißendes Licht.
    Alle starrten auf die Himmelserscheinung, die vom Sieg des Gottessohnes Jesus Christus über die Dämonen der Dunkelheit kündete. Der Anführer der Kreuzfahrer war sich einen Moment lang nicht sicher, was der Herr ihm mit diesem Zeichen sagen wollte. Doch dann fiel sein Blick auf Tiessa, die ihren Vater weinend umschlang, und Gottfried von Perche begriff, dass es seine Aufgabe war, diese beiden Menschen an Christi Grab zu geleiten.

16
    S odom und Gomorrha!«, stöhnte die alte Godvere von Bailly und reckte den Hals, um besser aus dem Fenster auf die Gasse hinabsehen zu können. »Was für ein Geschrei! Kein Wort versteht man – das können doch keine Christenmenschen sein. Schwarze Heidengesichter und Judenbärte – Gott der Herr wird unter sie fahren und sie alle zur Hölle schicken!«
    Man hatte die Frauen in der Unterstadt von Marseille nahe dem Hafen unterbringen müssen, denn die wenigen Quartiere in der bischöflichen Oberstadt, wo es ruhiger zuging und die Luft besser war, hatten sich als viel zu teuer erwiesen. Bischof Rainier von Marseille segnete die Pilger jeden Sonntag und schloss sie in seine Gebete ein, was ihn aber nicht davon abhielt, sich an ihnen zu bereichern. Schlimmer jedoch trieben es die Bürger in der Unterstadt, die jeden Winkel und jede schäbige Remise zu Wucherpreisen vermieteten und die Kreuzfahrer aus Gewinnsucht wie die Heringe zusammenpferchten. Jene Pilger, die zu arm für ein Quartier waren, schliefen sogar in den Gassen unter freiem Himmel. Es wurde erzählt, dass mancher junge Pilger in der Nacht verschwand und nie wieder gesehen wurde. Es gab Sklavenhändler, die keine Skrupel hatten, woher sie ihre Ware bezogen.
    » Man wird krank von dem Geschrei. Und wie es stinkt! Die Ratten sitzen am hellen Tag in den Gossen und fressen sich satt! «
    » Es geht nicht anders zu als in Rouen oder in Paris « , meinte Beatrice von Chenet schulterzuckend. » Aber wenn der Lärm dir Kopfschmerzen bereitet, können wir ja für eine Weile den Laden vor das Fenster heben. «
    » Damit wir hier im Dunkeln sitzen « , kreischte die Alte. » Auf keinen Fall. «
    Tiessa saß mit hochgezogenen Knien auf einer der Wandbänke, die den Frauen tagsüber zum Sitzen und nachts zum Schlafen dienten. Der Rest des Zimmers wurde von Kästen und Truhen ausgefüllt, auf denen Gewänder lagen, dazu Schachteln und Kästchen, kleine Handspiegel, Kämme, Nadeln, gemalte Heilige auf kleinen Holztäfelchen und allerlei Tand. Tiessa versuchte mit aller Gewalt, ihre schlechte Laune zu bezwingen. Sie hatte sich als Magd verdungen und musste nun auch weiterhin ihre Herrin Yolanda von Villeneuve bedienen, daran war nichts zu ändern. Im Grunde war sie froh darüber, denn sie hatte schreckliche Angst gehabt, Gottfried von Perche würde sie zurück nach Nogent-le-Rotrou schicken. Er hatte Milde walten lassen. Sie durfte ihren Vater begleiten, doch leider war sie selten in seiner Nähe. Nur wenige der Ritter hatten in

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