Die Braut des Kreuzfahrers
schlug Jean vor, der Ort erschien ihm allzu lärmend für ein ernstes Gespräch.
Schweigend folgte Ivo ihnen durch mehrere Gassen bis zu einer kleinen Kapelle, vor deren Eingang sich einige Bettler niedergelassen hatten. Als die drei sich näherten, streckten sie ihnen flehend die Hände entgegen, und Ivo zog seinen Beutel aus dem Ärmel, um jedem ein Almosen zu geben. Tiessa konnte nicht sehen, ob er knausrig oder großzügig war, auch zeigten sich die Bettler nicht dankbar, sondern forderten nur immer mehr, sodass Ivo sie schließlich davonjagte.
Als er sich danach zu Tiessa umwandte, war sein Blick unsicher. Er wagte nicht einmal, ihr in die Augen zu sehen.
» Ich habe kein Recht, um Vergebung zu bitten « , begann er mit leiser Stimme. » Wie ein Feigling habe ich meine Schande verschwiegen, denn ich fürchtete, du würdest mich verachten, wenn du die Wahrheit erfahren hättest. Gewiss – ich hatte mir geschworen, dir alles einzugestehen, doch ich habe es immer wieder aufgeschoben … «
Sie hätte jetzt gern gefragt, wie lange er die Sache hatte aufschieben wollen. Bis nach der Hochzeit? Nach dem ersten Kind? Bis nach seiner Beerdigung? Doch sie schwieg, ihr Vater hatte ja recht. Sie war eine Pilgerin, und Ivo stand als reumütiger Sünder vor ihr. Da sollte sie ihre spitze Zunge besser im Zaum halten.
» Ich bitte dich inständig, Tiessa! Gott ist mein Zeuge, dass ich aufrichtig bereue – vergib mir um unseres Herrn Jesu Christi willen. Bedenke doch, dass wir um das heilige Jerusalem streiten werden und Gott der Herr an jedem Tag und zu jeder Stunde unser Leben einfordern kann … «
Wollte er etwa vor ihr auf die Knie sinken? Er machte tatsächlich Anstalten, dies zu tun, sah sie flehentlich an und machte einen Schritt auf sie zu.
» Da mein Vater dir vergeben hat, will ich nicht nachstehen « , sagte sie schnell und wich vor ihm zurück. » Wir sind allesamt Sünder, und nur Gott weiß, wohin sich einst die Waagschale unserer Taten senken wird. Ich verzeihe dir, Ivo Beaumont. «
War er erleichtert? Immerhin beruhigte er sich, strich sich mit der Hand über die Stirn und senkte dann den Blick wieder zu Boden.
» Ich danke dir, Tiessa « , flüsterte er. » Du hast eine große Last von mir genommen. «
Sie spürte, wie Jean den Arm um ihre Schultern legte, und es war ungeheuer schön, sich an ihn lehnen zu dürfen. Vielleicht war die Vergebung, die sie ausgesprochen hatte, nicht ganz aufrichtig gewesen, doch ihr Vater schien glücklich darüber, denn er war der Meinung, dass sie bei dieser Reise keine Sünde auf sich laden sollte.
Stolz und Hartherzigkeit waren schlimme Sünden, insofern konnte sie mit sich zufrieden sein.
» Gehen wir noch ein wenig durch die Stadt? « , schlug Jean vor. » Tiessa ist neugierig, und ich gestehe, dass auch ich nie zuvor Ähnliches gesehen habe. «
Ivo belebte sich jetzt, er war tatsächlich erleichtert und wurde in seinem Überschwang sogar geschwätzig. Er hatte die Stadt – so gestand er – bereits gemeinsam mit einigen Kameraden durchstreift. Man treffe Menschen aus aller Herren Länder hier, die Stadt sei durch den Handel reich geworden. Manche nannten sie » die Königin des Meeres « , andere sagten, sie läge wie eine vielbeinige Spinne an der Mündung der Rhone und habe den Händlern ein Netz gespannt, in dem sich täglich viele Gold- und Silbermünzen verfingen.
Tiessa ging schweigend neben dem Vater her. Während Ivo allerlei Dinge redete, die Jean mit großer Aufmerksamkeit anhörte, besah sie die Waren der vielen Straßenhändler, und die Begeisterung kehrte langsam in ihr Gemüt zurück. Warm, fast schon heiß lag die Sonne über den hellen Häusern, und sogar der Staub, der in den Gassen aufwirbelte, schien ihr von goldener Farbe. Der Duft von Zimt, Pfeffer und Rosen stieg ihr in die Nase, er kam von einem Stand, an dem viereckige braune Seifenstücke zum Verkauf auslagen. Daneben hatte ein jüdischer Händler seine Stoffe auf einem Tisch ausgebreitet. Seide schimmerte lichtblau und karminrot, Brokat glitzerte, dunkelgrüner Sammet lag in weichen Falten, wie ein dichter Wald, der sich über Täler und Hügel breitete.
» Freilich – die Stadt gehört zum Herzogtum Burgund, doch sie untersteht dem Vicomte von Marseille, Raymond Geoffroy. Der soll schon recht gebrechlich sein. Man hört, er ließe sich nur noch in einer Sänfte tragen … «
Sie waren zum Hafen zurückgekehrt, drängten sich durch die Menge, streiften bunte, fremdartige
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