Die Braut des Kreuzfahrers
Stiege hinablief. » Noch eine Stunde, und ich wäre vor Langeweile gestorben! «
» Derweil Millie und Jordan zu Hause vor Arbeit nicht ein noch aus wissen « , bemerkte er trocken. » Aber du musstest deinen störrischen Schädel ja unbedingt durchsetzen. «
» Und ich bin froh darüber « , kicherte sie und hängte sich bei ihm ein, als sie auf die Gasse traten. » Auch die Mutter hätte nicht gewollt, dass du ohne mich fortziehst! «
Er sagte nichts, doch da ein Schatten über seine Züge fiel, beschloss sie, die Mutter besser nicht mehr zu erwähnen, denn sie wollte ihn nicht traurig stimmen.
Die Luft draußen war lind, sodass sie froh war, das Schultertuch vergessen zu haben. Schwatzend lief sie neben dem Vater her, erzählte allerlei heitere Begebenheiten, die sie im Quartier der Frauen erlebt hatte, und da sie eine witzige Art hatte, über die adeligen Damen herzuziehen, musste Jean hin und wieder lächeln. Sie wichen einem graubärtigen Händler aus, der einen Karren mit kleinen dunkelgrünen und schwarzen Früchten hinter sich herzerrte, dann blieb Jean stehen.
» Wir sind als Pilger unterwegs, Tiessa « , sagte er und sah sie mit ernsten Augen an. » Wir erhoffen uns die Vergebung unserer Sünden, und deshalb sollen wir auch jenen verzeihen, die in unserer Schuld stehen. «
» Natürlich « , meinte sie gedehnt.
Gerade eben hatte sie sich noch frei und glücklich gefühlt, jetzt stieg ein leises Unbehagen in ihr auf.
» Bist du also bereit, mit Ivo Beaumont einige Worte zu wechseln? «
So war das also! Ihr Vater war nicht etwa gekommen, weil er Sehnsucht nach ihr gehabt hatte – er kam in Ivos Auftrag. Sie presste die Lippen aufeinander und zögerte mit der Antwort, denn das Ansinnen des Vaters ärgerte sie. Ivo hatte sie hintergangen und war feige davongelaufen – war nicht der Vater damals der Erste gewesen, der ihn verurteilt hatte? Ach, er hatte sich sehr verändert, seitdem die Mutter nicht mehr lebte.
» Was will er von mir? «
» Er will dich um Vergebung bitten, Tiessa. Wir haben gestern lange miteinander gesprochen, und er hat auch mich unter Tränen um Verzeihung gebeten. «
» Und du hast sie ihm gewährt? «
» Was mich betrifft – ja. «
Sie zog den Vater auf die Seite, denn eine Horde zerlumpter Kinder rannte mit Geschrei durch die Gasse, ein schwarzbärtiger Mann im flatternden weißen Gewand lief hinter ihnen her und schwang drohend die Faust.
» Ist Ivo etwa in der Nähe? «
» Er wartet am Hafen. «
Das ungute Gefühl verstärkte sich, und sie hätte ihrem Vater am liebsten gesagt, er sollte Ivo dort nur warten lassen, sie habe keine Lust auf solch ein Gespräch. Doch Jeans Augen drückten eine stumme Bitte aus, der sie sich nicht widersetzen mochte.
» Gehen wir … «
Plötzlich war ihr alle Freude genommen. Die erregende, bunte Fremdheit dieser Stadt, in die sie eben noch hatte eintauchen wollen – jetzt war sie ihr gleichgültig geworden. Stattdessen stiegen die beklemmenden Erinnerungen an ihre verlorene Liebe wieder auf, die süße Leidenschaft, das Glück, das sich als so falsch erwiesen hatte. Dazu – das war das Unangenehmste daran – stand auch sie ein wenig in Ivos Schuld. Er hatte sie gleich in den ersten Tagen der Pilgerreise erkannt, dessen war sie sich ziemlich sicher. Sie hatte höllische Ängste ausgestanden, wenn er das Zelt der Frauen in den Nächten bewachte, denn sie hatte gefürchtet, er wolle die Gelegenheit nutzen, um sie anzureden. Doch er hatte es nicht getan, Ivo konnte schweigen und sich in Geduld üben.
Sie fanden ihn neben einer Mole, an der ein Handelsschiff angelegt hatte, um die Fracht zu entladen. Dunkelhäutige Sklaven balancierten in gebeugter Haltung über einen schmalen Steg, auf ihren nackten Schultern trugen sie Säcke aus grobem braunem Tuch, die am Kai auf einen Pferdewagen gestapelt wurden. Harte Befehlsstimmen waren zu hören, das Knallen einer Lederpeitsche. Einer der Sklaven hatte einen blutigen Striemen quer über dem Gesicht.
Ivos Augen glänzten, als er Tiessa erblickte, ob vor Freude oder vor Aufregung, konnte sie nicht sagen. Er war schlicht gekleidet, so wie es die Pilgerfahrt erforderte, ein brauner Rock bis an die Knie reichend, helle Beinlinge und schmale Schuhe aus Leder. Sobald Tiessa und ihr Vater vor ihm standen, verneigte er sich, als grüße er eine adelige Dame. Es sah merkwürdig aus, denn Tiessa war wie eine Magd gekleidet und trug eine einfache Haube aus Leinen.
» Gehen wir einige Schritte « ,
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