Die Braut des Kreuzfahrers
scheußliche Übelkeit und der bohrende Kopfschmerz betäubten sogar ihre Verzweiflung, ihr Widerstand erlahmte, und bald war ihr völlig gleichgültig, ob sie leben oder sterben würde …
Von dem Jubel über die Ankunft in Akkon bemerkte sie kaum etwas. Später erzählte man ihr, dass die Kreuzfahrer und ihre Habe mit Ruderbooten an Land gebracht wurden, die Pferde seien geschwommen. Auch einige der Männer, jene, die keine Rüstung angelegt hatten, seien ins Wasser gesprungen, um rascher an den Strand zu gelangen.
Sie wusste nicht einmal mehr, wie sie in das große Zelt gelangt war, das sie bald schattig umfing und wo Yolanda und Beatrice ihr kühlende, feuchte Tücher auf die Stirn legten. Nur an Ivos Stimme konnte sie sich erinnern, sie hatte ängstlich, ja fast verzweifelt geklungen.
» Stirb nicht, Tiessa! Bei der heiligen Gottesmutter – ich flehe dich an. Du musst gesund werden! «
Er hatte sie in eines der Boote gehoben, wo ihr Vater sie auf seinem Schoß hielt, während man zum Strand hinüberruderte. Ivo trug die Kranke auf seinen Armen durch das knietiefe Wasser an Land.
20
N ie zuvor, nicht einmal als Kind, war sie so krank gewesen. Das fremde Land, die belagerte Stadt, die Frauen in ihrem Zelt, ja, sogar der geliebte Vater, dessen Stimme sie von Zeit zu Zeit hörte – alles war ihr gleichgültig geworden. Nur der peinigende Kopfschmerz beschäftigte sie, die Übelkeit und das Zittern, das ihren Körper immer wieder durchlief, ohne dass sie es unterdrücken konnte. Später kam die Hitze des Fiebers dazu und ein hohles Gefühl, eine grenzenlose Schwäche, so als habe jemand dicke Felsbrocken über ihrem Körper angehäuft, die sie auf den Boden drückten. Es kostete unendliche Mühe, auch nur die Augen zu öffnen, und wenn man sie stützte und nötigte, einige Schlucke Wasser zu trinken, sank sie danach keuchend vor Erschöpfung auf das Polster zurück.
In ihren Ohren sauste ein Sturmwind, in den Schläfen hämmerte schmerzhaft der eigene Puls. Sie sah das tosende Meer vor sich und spürte das Schwanken des Schiffes. Graue Wogen, riesigen gekrümmten Händen gleich, erfassten das Boot und warfen es wie ein Spielzeug zum Himmel empor. Dort bemächtigte sich der Wind des hilflosen Schiffleins, wirbelte es umher, drehte es im Kreis und trieb es zwischen berstenden Gewitterwolken dahin. Blitze trafen ihre Augen, ließen bunte Lichterfontänen erstehen, die schmerzhaft und doch zugleich unsagbar schön waren.
» Haben sie jetzt endlich aufgehört, mit den Steinschleudern zu hantieren? Was für ein hübsches Spielzeug! «
War das Yolandas Stimme? Wovon sprach sie?
» Ich glaube, es ist jetzt zu dunkel geworden. Der König ist mit seinen Getreuen und den vornehmen Rittern ins Lager zurückgekehrt, überall werden Feuer angezündet. «
Das war Beatrice. Die Feuer angezündet? Tiessa versuchte sich zu erinnern, wo sie sich befand, doch es wollte ihr nicht einfallen. Stattdessen musste sie wieder würgen.
» Ruhig, Mädchen « , sagte Yolandas tiefe Stimme. » Leg dich wieder zurück. Gib mal ein frisches Tuch aus der Schüssel, Beatrice. Leg es ihr auf die Stirn. So ist es gut … «
Es roch nach Essig oder Wein, und Tiessa drehte angeekelt den Kopf zur Seite. Jemand strich mit der Hand über ihre Wange, es fühlte sich rau an und tat etwas weh.
» Gebt ihr doch etwas gegen das Fieber! Sie verbrennt ja schier vor Hitze « , sagte ihr Vater flehentlich.
» Wie sollen wir das bewerkstelligen? Sie speit ja alles wieder aus. Macht Euch keine Sorgen, Jean, sie ist jung und kräftig. Es ist nur die Sonne, ich habe auch Kopfschmerz, der mich seit drei Tagen nicht verlassen will. «
Irgendwoher brandete Gelächter auf, jemand rief laut nach Sultan Saladin und fügte eine Menge unchristlicher Flüche hinzu, dann stimmte eine grobe Männerstimme ein Lied an. Andere fielen ein, es gellte scheußlich in Tiessas Ohren. Plötzlich brach der Gesang ab, und jemand begann, über den englischen König Richard zu schelten.
» Tiessa « , murmelte Jean zärtlich. » Meine Kleine. Mein Augenstern. Ich weiß, dass du tapfer bist, Mädchen. Ich bleibe bei dir, die ganze Nacht. «
» Das ist wirklich nicht nötig « , nörgelte Yolanda. » Dies hier ist das Zelt für die Frauen. «
» Lass ihn « , flüsterte Beatrice. » Auch mein Ehemann hat angekündigt, dass er diese Nacht bei mir verbringen will. Wir werden alle Vorhänge in die Ringe einhängen und den Innenraum so in Kammern teilen … «
» Heilige
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