Die Braut des Kreuzfahrers
Magdalena, schenke mir Geduld! « , sagte Yolanda unzufrieden.
Tiessa gab es auf, die Zusammenhänge verstehen zu wollen, sie war nur froh, dass der laute Pulsschlag in ihrem Schädel aufgehört hatte und sie kaum noch von den Blitzen heimgesucht wurde. Nur der dumpfe Schmerz und die Übelkeit blieben ihr erhalten, auch das Fieber wütete noch in ihrem Körper, und ihr Herz schlug so heftig, als wäre sie eine lange Zeit gegen den Wind gerannt. Seltsame, aber auch schöne Bilder zogen jetzt an ihr vorüber: Ein schwaches Lüftchen bewegte gelbe und rötliche Tücher von feiner Seide, sie bauschten sich, schlugen Wellen, flatterten wie Wimpel, dann waren es auf einmal ockerfarbene Staubwolken, zarte Luftgebilde, die wie fliegende Reiter aussahen, die Lanzen zum Angriff gesenkt, die Beine der Pferde wirbelten im raschen Galopp …
Nach einiger Zeit legte sich kühle Dämmerung über ihre Traumfantasien, machte sie blass und matt und ließ sie endlich zu Schatten werden. Tiessa sank tief hinab in samtige Finsternis, dorthin, wo man weder Schmerz noch Ängste spürt, und der Schlaf hatte Erbarmen mit ihr. Auf seinen dunklen Flügeln trug er sie davon.
Sie erwachte von einem heftigen Schmerz in der rechten Hand, zuckte zusammen und setzte sich auf. Dunkelrote Tücher umgaben sie, die einen engen Raum in einem Zelt abgrenzten, zu ihren Füßen flackerte eine kleine Laterne. Auf der anderen Seite des Tuchvorhangs murmelte eine männliche Stimme eine Entschuldigung, und sie begriff, dass sie im Schlaf die Arme ausgebreitet hatte und drüben jemand versehentlich auf ihre Hand getreten war.
Für einen Moment war Licht in den Vorhangschlitzen zu sehen, nicht gleißend wie das Tageslicht, sondern sanft und goldfarben. Es verschwand gleich wieder – vermutlich hatte der Mann den Vorhang am Zelteingang beiseitegeschoben, um hinauszugehen, danach war der schwere Stoff wieder zurückgeglitten. Sie bewegte die Finger der rechten Hand und stellte fest, dass nicht viel damit geschehen war. Es tat schon gar nicht mehr weh.
Dann erst wurde ihr klar, dass sie gesund war. Das Fieber war vergangen, auch der Kopf schmerzte nicht mehr, kein Schwindel, sie war sogar hungrig. Ein ungeheures Glücksgefühl breitete sich in ihr aus. Das Leben erschien ihr plötzlich schön und kostbar, sie hatte Lust zu lachen und zugleich wollte sie weinen. Doch sie fuhr sich stattdessen nur mit den Händen durch das zerwühlte Haar und verzog das Gesicht, als es schrecklich ziepte. Mein Gott, sie musste aussehen wie eine Wilde, völlig zerrauft und schmutzig. Auch ihr Gewand roch nicht gut und hatte hässliche Flecke abbekommen.
Neben ihr lag Yolanda lang ausgestreckt auf einer Decke. Die blaue, bestickte Haube war ihr tief in die Stirn gerutscht, und ihr blondes Haar, das sie sonst geflochten trug, kräuselte sich jetzt wie ein wolliger Flaum um ihre Wangen. Sie schlief fest. Wenn sie ausatmete, öffnete sich ihr Mund ein wenig und sie pustete die Luft mit einem leisen Zischen von sich.
Tiessa fand das lustig und kicherte ein wenig. Dann entdeckte sie einen Krug, der noch zur Hälfte mit Wasser gefüllt war, und trank ihn durstig leer. Probeweise schüttelte sie den Kopf – nein, ihr war überhaupt nicht mehr schwindelig. Leise stand sie auf, zupfte ihr Gewand zurecht, und da sie weder Kamm noch Spiegel finden konnte, band sie ein Tuch um das verwuschelte Haar. Barfuß stieg sie vorsichtig über ihre Schlafpolster hinweg – man hatte ihr tatsächlich schöne, weiche Polster gegeben, während Yolanda nur auf einer einfachen Decke nächtigte. Hinter dem Vorhang befand sich ein kleiner Raum um den mittleren Zeltpfosten, wo allerlei Kisten und Gerätschaften standen. Davor auf dem Fußboden schlief die junge Magd, die Beatrice bediente. Durch die Schlitze des Zelteingangs fiel das Morgenlicht ein. Es zeichnete flimmernde Streifen und Punkte auf das dunkle Holz der Truhen und das braune Gewand der schlafenden Magd, so als wolle es Tiessa verlocken, aus dem dämmrigen Zelt hinaus ins Helle zu treten.
Mein Gott – wir sind vor Akkon, dachte sie erschrocken. Wie kann Yolanda nur so ruhig schlafen? Jeden Augenblick können die Kämpfe beginnen, die Ritter werden die Mauern erstürmen, und die Sarazenen, die drüben lagern, werden heranreiten, um uns anzugreifen. Ob dieses Zelt uns wenigstens vor ihren Pfeilen schützen kann?
Mutig fasste sie den Eingangsvorhang und zog ihn beiseite. Das goldfarbene Morgenlicht blendete sie, sodass sie die Augen mit der
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