Die Braut des Kreuzfahrers
blonden Härchen kräuselten, die dort wuchsen, und man ihre regelmäßigen weißen Zähne sah.
» Es scheint tatsächlich eine Stadt zu sein. Zinnen sehe ich und Häuser, vielleicht sogar Türme … Diese elende Sonne brennt einem ja die Augen aus. Ja, das sind Mauern … Und dort hinten liegen auch Schiffe am Ufer. Das wird die Flotte sein, mit der der französische König vor Akkon eintraf … «
Die Stimmung an Bord war umgeschlagen – eben noch war man besorgt gewesen, jetzt erfasste die Kreuzfahrer helle Begeisterung. Dort war Akkon, und vor der Stadt lag das christliche Heer, dem man sich nun anschließen würde, um die Feste den Sarazenen zu entreißen. Tiessa hörte, wie der Herr von Perche die Pilger zum Gebet aufrief. Für einen Augenblick sah sie ihn aufrecht am Bug stehen, und er schien ihr größer als sonst, vielleicht weil er die Schultern zurückgenommen hatte und sein Gesicht vor Freude leuchtete. Der Kaplan, der schon wieder unter der Seekrankheit litt, raffte sich mutig auf und hielt eine Ansprache. Etliche Ritter knieten nun auf den Schiffsplanken nieder, um Gott für diese Gnade zu danken. Man hörte auch bereits Kampfrufe und Siegesjubel, Fäuste und Schwerter wurden emporgereckt und Schwüre geleistet. Erst als der Kaplan sich anschickte, den Kreuzfahrern seinen Segen zu gewähren, wurde es ein wenig ruhiger.
Tiessa hatte sich für einen Moment gegen die Bordwand lehnen müssen, um eine aufsteigende Übelkeit niederzukämpfen. Wie merkwürdig – nicht einmal bei den schlimmsten Stürmen war sie von der Seekrankheit heimgesucht worden, und jetzt, da sie so sacht dahintrieben und das Schiff nur ein klein wenig schaukelte, wollte ihr der Magen hochsteigen. Sie atmete tief ein und aus und blickte dabei zur Küste hinüber, wo weit in der Ferne auf einem Hügel ein ringförmiges Gebilde zu sehen war.
» Das Lager der Christen! Heiliger Andreas, du hast uns sicher hierhergeführt. Schaut doch, wie groß es ist! Wie viele Zelte. «
» Dort liegen die Schiffe unseres Königs am Ufer! «
Tiessa spürte, wie ein heftiger Schwindel sie erfasste, und sie krallte die Finger in das harte, abgeschliffene Holz der Bordwand, um einen Halt zu finden. Das Lager der christlichen Ritter vor Akkon war von einem Graben und einem Erdwall umgeben. Blaue, rote und braune Zelte ragten daraus hervor, Standarten wehten, Rauch stieg in dünnen weißen Säulen auf und vermischte sich mit dem rötlichen Staub, der von dem aufgeschütteten Erdreich emporgeweht wurde. Waren es diese Staubwirbel oder ließ ein rötlicher Nebel das Bild vor ihren Augen verschwimmen? Das Lager der Kreuzritter ähnelte plötzlich einer flachen hölzernen Schüssel, auf der eine wimmelnde Menge von bunten Käfern, schwarzen Ameisen und scheußlichen zimtfarbenen Schnecken herumkroch.
» Tiessa! Um Gottes willen – was ist mit dir? « , rief Yolandas Stimme wie aus weiter Ferne.
Tiessa konnte sich gerade noch über die Bordwand beugen, bevor sie sich erbrechen musste. Ihr Kopf dröhnte, während sich ihr Magen krampfhaft entleerte, sie spürte nicht einmal, dass kräftige Hände sie festhielten, damit sie nicht über Bord fiel. Jemand umfasste sie, zog sie herunter auf die Schiffsplanken, stützte ihren Rücken, redete auf sie ein. Doch ihr Kopf schmerzte so heftig, dass sie kaum etwas verstand. Auch der Schwindel war nicht vergangen, denn ihr schien, dass Yolandas Augen, ihre Nase und der blonde Lippenbart voneinander abgetrennt im Kreis schwebten.
» Es muss die Hitze sein! Beschattet sie! Gebt mir Wein! «
Jemand flößte ihr ein süßliches Getränk ein, das so widerlich war, dass sie es sogleich wieder erbrach. Dann setzte man ihr die Tülle eines Wasserschlauchs an die Lippen, sie schluckte ein wenig davon und begann wieder zu würgen.
» Tiessa! Mein Mädchen! Es ist meine Schuld, ich hätte dich zwingen müssen, in Tyros zu bleiben … «
Ihr Vater beugte sich über sie, strich mit der Hand über ihre Stirn und schob ihr Haar zurück. In seinen hellen blauen Augen stand die Angst.
» Es … ist … nichts « , stammelte sie. » Mir ist nicht … heiß … «
Ihre Zähne schlugen aufeinander, denn ein Zittern hatte sie ergriffen, gegen das sie sich nicht wehren konnte. Der Schüttelfrost, das wusste sie, kündigte das Fieber an. Sie wollte nicht krank werden. Sie musste doch auf ihren Vater aufpassen, für ihn sorgen, sie wollte ihn nicht verlieren. Nicht auch noch den Vater, da sie schon Corba verloren hatte … Doch die
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