Die Braut des Kreuzfahrers
Mir schien eher, Ihr hättet fest geschlafen. «
Bekümmert schüttelte er den Sand aus den Haaren und klopfte seinen Gewandrock ab, dass es staubte.
» Ich bin ein untauglicher Wächter, das wolltest du doch sagen, nicht wahr « , meinte er betreten. » Ich kann zu meiner Entschuldigung nur vorbringen, dass ich bereits die zweite Nacht vor eurem Zelt wache. «
Sie wich seinem Blick vorsichtshalber aus, dennoch trafen seine Worte sie tief. Er liebte sie, er tat alles, um ihr zu helfen, sie zu beschützen – weshalb vergab sie ihm nicht endlich? Konnte er nicht morgen schon im Kampf getötet werden? Dann war es zu spät, und sie würde vielleicht ihr Leben lang bereuen, seine Liebe von sich gewiesen zu haben.
» Ich …ich danke Euch für alles, Ivo « , sagte sie leise.
» Ich habe vieles gutzumachen, Tiessa « , gab er ebenso leise zurück.
Beide schwiegen. Ivo sah sie eindringlich an und schien auf eine Ermutigung, vielleicht sogar ein Geständnis zu hoffen, doch sie brachte nichts über die Lippen, weshalb, das wusste sie selbst nicht. Um ihrer Verlegenheit zu entkommen, drehte sie den Kopf und blickte hinüber zu den zimtfarbenen Zelten, wo jetzt Kisten und Säcke umhergetragen wurden.
» Was tun sie da? Bereiten sie sich vor, die Stadt anzugreifen? «
» Nein, Tiessa. Das sind die Händler, die werden jetzt ihre Waren ausbreiten, damit die Ritter sie kaufen. «
» Die breiten ihre Waren aus? Wie auf dem Markt? «
Er nickte, als sei dies eine Selbstverständlichkeit. Jeder, der essen wollte, der eine Waffe, einen Topf, Schuhwerk oder ein Gewand benötigte, konnte es von den Kaufleuten erwerben, sofern er Geld besaß. Jetzt seien die Preise annehmbar, da es einigen Handelsschiffen gelungen war, hier in der Nähe anzulegen. Im Winter jedoch, so habe man ihm erzählt, hätten viele Kämpfer hungern müssen. Einige mussten sich sogar kümmerlich von Gras und Knochen ernähren, um zu überleben, denn die pisanischen Händler hatten die Lebensmittel zu Wucherpreisen verkauft. So habe ein Sack Getreide hundert Goldstücke gekostet, und für einen Silberpfennig habe man gerade einmal dreizehn Bohnen bekommen.
Tiessa starrte schweigend hinüber zu den Händlern, die tatsächlich ihre Kisten aufstellten und die Eingänge ihrer Zelte weit öffneten. Wie merkwürdig das war: Mitten im Kampf wurde gehandelt und geschachert, mutige Kreuzfahrer, die ihr Leben für die Befreiung der Stadt einsetzten, ließ man Knochen fressen wie die Hunde. Aber zum Glück hatte der Herr von Perche einige Lebensmittel mitgebracht, sie würden also nicht hungern müssen.
Ivo richtete seinen Gürtel, in dem ein kurzer Dolch steckte. Er war gewiss enttäuscht, doch er bemühte sich, es nicht sehen zu lassen.
» Ich werde zu deinem Vater gehen, Tiessa. Er sollte wissen, dass es dir besser geht, er war selbst krank vor Sorge. «
Es klang in ihren Ohren fast vorwurfsvoll. Hatte er geglaubt, sie wolle ihren Vater im Ungewissen lassen?
» Das kann ich selbst tun. Wo ist er? «
» Er wurde mit dem Herrn von Perche zum König befohlen. Es ist besser, wenn ich gehe, Tiessa, denn es scheint, dass Philipp sich mit seinen Vasallen über das weitere Vorgehen berät – da ist eine Frau nicht willkommen. «
Er lächelte, als wolle er sich für diese Tatsache entschuldigen, die er selbst nicht zu verantworten hatte, neigte den Kopf, um eine Verbeugung anzudeuten, und ging davon. Sie sah ihm nach, wie er zwischen Zelten, Pferden und Feuerstellen hindurchlief, dann über einen schlafenden Mann hinwegstieg und schließlich im Gewimmel verschwand. Sie ärgerte sich über seine Antwort, die ihr hochnäsig erschien. Auf der anderen Seite hatte er sicher recht, und es war sehr freundlich von ihm, ihr diesen Dienst zu erweisen. Sie musste ihm wirklich dankbar sein.
Ihr Vater hatte sie gewarnt, dies war ein Ort, an dem eine Frau nichts zu suchen hatte. Hier hausten Kämpfer und Krieger, der Umgangston war rau und die Sitten grob, zudem war es jederzeit möglich, dass die Sarazenen das Lager überfielen. Die Feuerstellen wurden jetzt überall entzündet, Männer erhoben sich von ihren Schlafstellen und traten aus den Zelten. Sie konnte auch einige Frauen entdecken, die Eimer schleppten und an den Feuern beschäftigt waren. Waren das Mägde der adeligen Herren? Ehefrauen der Knappen? Wo waren sie hergekommen? Hatten sie etwa bei den Männern in den Zelten gelegen? Oder gab es noch mehr Zelte, in denen ausschließlich Frauen untergebracht waren?
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