Die Braut des Normannen
Millicent bekannt gemacht worden?« fragte er sie.
Nichola nickte. »Wir haben uns bei Thurstons Hochzeit kennengelernt. Sie scheinen sehr nett zu sein.«
»Wußtest du, daß sie seit zwölf Jahren verheiratet sind?«
Das war ihr neu, aber es interessierte sie auch nicht besonders. Sie wollte nur Ulric aus den Armen seiner Tante reißen und ihn hinauf in sein Zimmer bringen.
Aber das war unmöglich. »Haben sie eigene Kinder?«
»Nein«, erwiderte Royce. »Lächle, Nichola«, befahl er.
Sie gehorchte und lächelte, als Baron Duncan sie eingehend musterte. Er war ein vierschrötiger, untersetzter Mann mit einem roten Vollbart. Nichola erinnerte sich daran, wie freundlich er gewesen war, als sie und ihre Familie sich während Thurstons Hochzeit in seiner Festung aufgehalten hatten.
Sie rückte ein wenig von Royce ab und machte einen Knicks. Dabei war ihre Miene sehr ernst – am liebsten hätte sie geweint wie Alice, aber sie war entschlossen, ihre Würde zu bewahren. Ulrics Wohlergehen war viel wichtiger als ihre eigenen Empfindungen, rief sie sich zur Ordnung.
Ihre Stimme bebte kaum, als sie sagte: »Ich freue mich, euch wiederzusehen.«
Ulric streckte die Ärmchen nach ihr aus, und Nichola machte Anstalten, ihnen Millicent abzunehmen, aber dann besann sie sich eines Besseren und wich einen Schritt zurück. »Er ist ein sehr liebes Kind«, bemerkte sie. »Und er hat keine Angst vor Fremden wie andere Kinder«, plapperte sie weiter und wünschte dabei, Royce würde sie unterbrechen. »Ulric ist ein ganz außergewöhnlicher kleiner Junge.«
Baron Duncan nickte. »Ja, er ist etwas ganz Besonderes«, stimmte er zu. »Wir wissen, wie schwer euch die Trennung von ihm fällt, Nichola. Euer Gemahl hat uns erzählt, wie sehr Euch das Kind ans Herz gewachsen ist.«
Millicent reichte Ulric ihrem Mann und lief auf Nichola zu, um ihr die Hand zu geben. Ulrics Tante, die Schwester seiner Mutter, war eine wuchtige Frau mit breiten Schultern und noch breiteren Hüften. Ihr Äußeres wirkte nicht sehr anziehend, aber man mochte sie auf Anhieb, wenn man ihr in die warmen braunen Augen blickte. »Wir werden gut für ihn sorgen«, versprach sie.
»Werdet Ihr ihm auch Liebe schenken« fragte Nichola. »Kleine Kinder brauchen viel Liebe. Hat euch mein Bruder erklärt, warum er möchte, daß ihr Ulric zu euch nehmt?«
Millicent drehte sich zu ihrem Mann um. Duncan kam näher und stellte sich direkt vor Nichola. Ulric starrte den roten Bart voller Faszination an, zupfte daran und brabbelte unverständliche Worte.
»Ja«, antwortete Duncan. »Er hat alles erklärt, aber Thurston ist im Moment nicht fähig, klar zu denken.«
»Ihr braucht euch für die Handlungsweise meines Bruders nicht zu entschuldigen«, unterbrach ihn Nichola. Sie holte tief Luft und fügte hinzu: »Bitte, nehmt doch Platz. Ich lasse ein Zimmer für euch richten. Wir werden zusammen essen ...«
Sie hielt inne, als Duncan den Kopf schüttelte. Sein trauriger Gesichtsausdruck verhieß nichts Gutes. »Wir dürfen nicht bleiben«, erklärte er. »Wir mußten eurem Bruder außerdem noch ein anderes schändliches Versprechen geben.«
»Um die Wahrheit zu sagen«, warf Millicent ein. »Wir hätten ihm alles versprochen, um Ulric in Sicherheit zu bringen. Wenn wir uns mit seinen Bedingungen nicht einverstanden erklärt hätten, dann würde er, so sagte er zumindest, selbst für seinen Sohn sorgen und ihn mit in die Berge nehmen.«
Nichola drängte sich näher an Royces Seite – die bloße Berührung half ihr, Haltung zu wahren, und schon allein seine Anwesenheit gab ihr Trost. »Was für ein Versprechen habt Ihr ihm sonst noch gegeben?« fragte sie. »Ihr spracht von einem schändlichen Versprechens«
»Thurston hat von uns verlangt, daß wir euch in Zukunft von Ulric fernhalten.« Duncan schüttelte den Kopf. »Er hatte ganz präzise Pläne, als er hierherkam. Er war ganz sicher, daß ihr und Ulric mit ihm gehen würdet.«
»Er glaubte, daß ihr mitten in der Nacht Hals über Kopf das Haus verlassen würdet«, bestätigte Millicent.
Nichola wollte nicht über Thurstons Erwartungen sprechen. »Das einzige, was jetzt zählt, ist das Wohlergehen des Kindes«, sagte sie.
Sie drehte sich nach Alice um. »Spar dir deine Tränen für später auf, Alice. Geh und pack Ulrics Sachen zusammen.« Sie milderte die Schärfe ihrer Aufforderung ein wenig ab, indem sie hinzufügte: »Bitte, Alice.«
Nichola wandte sich wieder ihren Gästen zu, verschränkte die Arme vor
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