Die Braut des Normannen
du stinkst so penetrant wie eine Hure, die von einem ganzen Regiment Besuch hatte.«
Justin ignorierte diese Bemerkung und schwor sich im stillen, daß er keine weitere Lektion erdulden würde. Noch heute nacht, wenn die anderen Soldaten schliefen, wollte er die Festung verlassen.
Er war so ausgehungert, daß er an diesem Abend alles verschlang, was man ihm vorsetzte, während er gezwungen war, bei den anderen Männern zu sitzen und ihren Gesprächen zuzuhören. Keiner versuchte, ihn in die Unterhaltung mit einzubeziehen, aber die Männer schlossen ihn auch nicht wirklich aus.
Justins Schlafplatz befand sich zwischen dem von Ingelram und dem von Gerald, und bevor ihn die Müdigkeit übermannte, war sein letzter Gedanke, daß er sich nur ein paar Minuten ausruhen wolle, ehe er seine wenigen Habseligkeiten zusammenpacken und von hier verschwinden würde.
Als er erwachte, war es stockfinstere Nacht, aber er schaffte es dennoch nicht einmal bis zur Tür. Ein Soldat, den Justin noch nie zuvor gesehen hatte, verstellte ihm den Weg. Er erklärte ganz ruhig, daß er ebenfalls Rekrut war, Bryan hieß und daß er Justin lediglich daran erinnern wollte, daß er die Festung nicht ohne ausdrückliche Erlaubnis verlassen dürfte.
Bryan hatte dunkles, gelocktes Haar und braune Augen. Er war etwas kleiner als Justin, aber seine Muskelpakete machten ihn zu einem furchteinflößenden Hindernis. »Schön, du hast mich daran erinnert«, murrte Justin. »Jetzt geh mir aus dem Weg.«
Plötzlich gesellten sich drei weitere Soldaten zu Bryan. Sie sahen genauso verschlafen aus wie dieser und waren wie er entschlossen, Justin im Haus festzuhalten.
»Was, zum Teufel, geht es euch an, ob ich von hier verschwinde oder nicht?« tobte Justin.
»Es würde der ganze Truppe Schimpf und Schande bereiten, wenn einer von uns desertiert«, rief Ingelram von seinem Bett aus. »Leg dich wieder hin und schlaf, Justin.«
Er wußte, daß er gegen die anderen nicht ankommen würde – es waren zu viele, und er selbst war noch zu geschwächt. Widerstrebend machte er sich auf den Weg zu seinem Bett – kein Mensch machte eine höhnische Bemerkung, und das überraschte Justin ebenso sehr, wie es ihn wütend machte. Er brauchte einen Grund, um die anderen Männer zu hassen, aber sie gaben ihm keinen Anlaß.
Einige Minuten verstrichen, bis sich alle wieder für den Rest der Nacht niederließen. Ingelram war schon beinah eingedöst, als er fühlte, wie Justin ihn anschubste.
»Was geschieht, wenn jemand eurer Truppe Schande macht?« flüsterte Justin, obwohl er sich selbst für diese Frage verabscheute. Ganz bestimmt wollte er Ingelram damit nicht andeuten, daß er sich ernsthaft darum scherte. Er war einfach nur neugierig, das war alles.
»Glaub mir, Justin«, wisperte Ingelram zurück. »Das möchtest du gar nicht so genau wissen.«
Er wollte es aber doch wissen und konnte sich nicht zurückhalten, weiter zu fragen. »Wird derjenige streng bestraft?«
»Ja.«
»Bedeutet es seinen Tod?«
Ingelram schnaubte. »Nein, der Tod wäre nicht so schlimm, Justin, aber die Strafe, die auf ihn wartet, ist gräßlich. Schlaf jetzt. Uns allen steht ein schwerer Tag bevor.«
Justin hielt sich nicht an diesen Rat – es gab zuviel, worüber er nachdenken mußte.
Nichola war zur selben Zeit auch hellwach. Der kleine Ulric machte ihr schwer zu schaffen, da er sich einfach nicht beruhigen ließ. Er hatte kein Fieber, und deshalb dachte sie, daß er wahrscheinlich weinte, weil er einen neuen Zahn bekam.
Er hörte nur auf zu schreien, wenn sie ihn auf den Arm nahm und mit ihm herumging. Nichola fühlte sich für den Kleinen verantwortlich, schließlich brauchten die Dienerinnen ihren Schlaf. Sie hatte sie zu Bett geschickt, und jetzt ging sie mit Ulric im Zimmer auf und ab.
Sie hätte ohnehin nicht schlafen können, weil so viele verwirrende Gedanken durch ihren Kopf wirbelten. Jetzt wünschte sie, sie wäre nicht Zeuge der Konfrontation zwischen Royce und ihrem Bruder Justin geworden. O Gott, wie sehr sie sich wünschte, sie hätte diese ^grausame Szene nicht mitangesehen!
Royce war so brutal gewesen – wenn sie das nicht mit eigenen Augen gesehen hätte, wäre es ihr niemals in den Sinn gekommen, so etwas auch nur für möglich zu halten. Einen wehrlosen, verwundeten Jungen mit Füßen zu treten... Nein, sie hätte nie geglaubt, daß ihr Mann zu so einer verabscheuungswürdigen Tat fähig war.
Sie war in Tränen ausgebrochen, weil ihr Bruder auf diese
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