Die Braut des Normannen
der Brust und sagte: »Bevor ich Ulric gehen lasse, möchte ich, daß ihr mir zwei Dinge versprecht.«
Royce zog eine Augenbraue hoch, als er die plötzliche Veränderung, die mit seiner Frau vorgegangen war, bemerkte. Sie klang jetzt wie eine Befehlshaberin.
Duncan sah sie argwöhnisch an. »Was verlangt ihr von uns?«
»Ich möchte, daß ihr schwört, Ulric so zu behandeln, als wäre er euer eigener Sohn.«
Noch ehe sie erklären konnte, weshalb ihr das so wichtig war, nickten Duncan und Millicent zustimmend.
»Zweitens will ich, daß ihr mir euer Wort gebt, daß Ulric bei euch bleibt. Wenn Thurston seinen Sohn aus irgendeinem Grund zu jemand anderem bringen möchte, müßt ihr ihn daran hindern. Wenn ihr mit Ulric umgeht wie mit einem eigenen Kind, wird er sich rasch bei euch geborgen fühlen.
Deshalb muß er auch bei euch bleiben – er soll sich nicht ständig an eine neue Umgebung und an neue Menschen gewöhnen müssen. Ich ...«
Sie war nicht fähig, weiterzureden. Royce legte den Arm um sie und zog sie an sich. »Das haben wir alles schon ausführlich besprochen, Nichola«, sagte er.
Millicent und Duncan nickten.
Nichola lehnte sich matt an ihren Mann.
»Niemand von uns wird zulassen, daß Thurston seinen Jungen von seinem neuen Zuhause wegbringt«, versicherte Royce.
»Danke.« Nichola war erstaunt, daß Royce sich bereits um alles gekümmert hatte, und sie freute sich, daß er so um Ulric besorgt war.
Eine Stunde später brachten Millicent und Duncan den kleinen Ulric weg, und Royce schickte eine Eskorte von Soldaten mit auf den Weg.
Nichola war sehr schweigsam für den Rest des langen Tages und beschäftigte sich eifrig mit Reinigungsarbeiten, um sich von ihrem Kummer abzulenken. Royce war ratlos und wußte nicht, wie er seine Frau trösten sollte, und als sie sich nicht in der Halle blicken ließ, ging er ins obere Stockwerk. Er fand Nichola in ihrem Zimmer. Sie saß in einem Sessel neben dem Kamin. Ohne ein Wort zu sagen, zog er sie auf die Füße, ließ sich selbst in den Sessel fallen und plazierte Nichola auf seinen Schoß. Er schlang die Arme um ihre Taille und hielt sie fest an sich gedrückt.
Lange Zeit saßen sie schweigend zusammen, bis Royce die Stille durchbrach. »Du hattest heute einen schweren Tag.«
Sie erwiderte nichts.
»Sie haben nicht bemerkt, wieviel dir die Trennung von dem Kleinen ausmacht«, fuhr er fort. »Ich bin stolz auf dich, Nichola.«
Sie schloß die Augen und ließ den Kopf an seine Schulter sinken.
»Erinnerst du dich an meine Anweisung?« fragte er.
»An welche?« erkundigte sie sich. »Es gibt so viele.«
Er beachtete ihren Sarkasmus nicht. »Ich meine die Aufforderung an dich, nicht zu weinen.«
Trotz ihrer Trauer verzog sie die Lippen zu einem Lächeln. »Ach ja. Regel Nummer drei«, flüsterte sie. »Du sagtest, daß ich nicht weinen darf.«
Er hauchte einen Kuß auf ihren Scheitel. »Ich habe meinen Beschluß geändert«, eröffnete er ihr mit rauher Stimme. »Du darfst weinen, wenn dir danach zumute ist.«
Es war wirklich lächerlich, daß er glaubte, nach dieser simplen Änderung eines Befehls könnte sie so ohne weiteres ihren Tränen freien Lauf lassen. Sie würde ganz gewiß nicht losheulen, nur weil er ihr erklärte, daß er es ihr ab jetzt erlaubte – ihr war im Moment auch nicht danach ...
Seine Jacke war schon vollkommen durchnäßt, als sie fertig war und noch ein paarmal schluchzte. Royce unternahm nichts, um ihren Tränenstrom aufzuhalten — er hielt sie nur ganz fest, bis sie ruhiger wurde.
»Es sind gute Menschen, Nichola.«
»Ja.«
»Sie werden Ulric gut behandeln«, beteuerte Royce.
Sie nickte. Guter Gott, er haßte es, sie so unglücklich zu sehen. »Nichola, du verstehst doch, warum Ulric uns verlassen mußte, oder?«
Sein besorgter Tonfall bewirkte mehr als seine Umarmung. Er nahm Rücksicht auf ihre Gefühle – wenn auch nur ein kleines bißchen –, sonst wäre er nicht so eifrig bemüht, ihr seine Beweggründe klarzumachen.
»Du möchtest Thurston nicht verletzten, weil er mein Bruder ist. Wenn Ulric hiergeblieben wäre, hätte Thurston noch einmal versucht, in diese Festung einzudringen, und dann wärst du gezwungen gewesen, mit ihm zu kämpfen.«
Royce war selbst überrascht, daß ihn ihre Vernunft so erleichterte. »Es ist gar nicht so schwierig, mit mir auszukommen und mich zu verstehen.«
Er erwartete ihre Zustimmung, aber er bekam sie nicht. »O doch, es ist schwierig«, versetzte sie. »Wohin wirst du
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