Die Braut des Normannen
lassen. Die arme Mary war so verängstigt, daß ihre Hände zitterten und es ihr kaum gelang, Nicholas Haar zu Zöpfen zu flechten.
Sobald Nichola die Dienerin weggeschickt hatte, drehte sie sich zu Royce um.
Was ist los mit dir? Traust du mir so wenig, daß du mich nicht einmal für ein paar Minuten mit meiner Dienerin allein lassen kannst? Denkst du immer noch, daß ich davonlaufe? Hast du deswegen eine so miserable Laune?
Er bedachte sie mit einem ärgerlichen Blick. »Ich denke nur an deine Sicherheit«, versetzte er. »Ich traue keinem der Dienstboten über den Weg. Je früher wir von hier wegkommen, desto besser wird meine Laune.«
Sie schüttelte den Kopf. »Nicht ich bin in Gefahr, sondern du«, konterte sie. »Außerdem stehen die Leute in den Diensten des Königs, und ich bin sicher, daß mir niemand von ihnen etwas antut.«
Er verschränkte die Hände hinter dem Rücken und funkelte sie zornig an. »Nichola, es ist offensichtlich, daß nicht alle Diener treu zu William stehen. Die alte Frau, die gestern abend in diesem Zimmer war, um dich zum Mord an mir anzustiften, war sicher nicht loyal ihm gegenüber, und es könnte auch noch andere geben. Du bist genauso in Gefahr wie ich«, schloß er.
»Warum?«
Er seufzte laut. »Du bist meine Frau, und die Angelsachsen könnten dich benutzen, um mir zu schaden – darum. Hör jetzt auf, Fragen zu stellen, es wird Zeit zum Aufbruch.«
»Wie könnten mich deine Feinde wohl benutzen?« wollte sie wissen, ohne auf seine Aufforderung, keine Fragen mehr zu stellen, zu achten.
Er schwieg.
Kurze Zeit später verließen sie London. Nichola ritt mit Royce, und ihr fiel auf, daß ihre Eskorte diesmal aus älteren Soldaten bestand – die jungen Ritter, die sie seinerzeit nach London begleitet hatten, ritten jetzt am Ende des Zuges.
»Wie viele Männer reiten mit uns?« fragte sie Royce.
»Genügend.«
Was soll das heißen? fragte sich Nichola, entschied sich aber, ihren Mann nicht zu einer Antwort zu drängen. Sein verkniffener Mund zeigte deutlich, daß er nicht in der Stimmung war, Konversation zu treiben.
Als sie am Abend ein Lager für die Nacht aufschlugen, war Nichola so müde, daß es ihr vollkommen gleichgültig war, ob sich die Laune ihres Mannes gebessert hatte oder nicht. Sie schlief gleich ein, nachdem Royce das kleine Zelt aus Tierfellen aufgespannt hatte. Mitten in der Nacht wachte sie auf und merkte, daß ihr Kopf auf seinem Schoß lag – sie wußte nicht einmal, wie sie dahin gekommen war.
Zwei Tage später, nach halsbrecherisch schnellen Ritten, erreichten sie die Grenzen zu Nicholas Ländereien. Ab jetzt wurde das Gelände hügelig und unwegsam, und sie hatten bis zur Burg noch einen ganzen Tagesritt vor sich, daß sie nicht mehr so rasch vorankamen.
Nichola machte das nichts aus. Das Wetter war schöner geworden, die Sonne strahlte vom Himmel, und es war längst nicht mehr so kalt. Ein Hauch von Frühling lag in der Luft, und Nicholas Lebensgeister wurden wieder wach. Sie dachte an all die Dinge, die sie gleich nach ihrer Ankunft in der Festung tun würde – zuerst wollte sie ihre Kleider wechseln und sich dann sofort auf den Weg ins Kloster machen, um Ulric und Justin zu sehen.
Sie erzählte Royce von ihrem Vorhaben, während sie aßen.
»Du wirst Rosewood nicht verlassen«, erklärte er bestimmt, während er ihr eine dicke Brotscheibe reichte. »Justin und Ulric werden zu dir kommen.«
Wahrscheinlich hatte sie der lange Ritt mehr Kraft gekostet, als sie selbst gedacht hatte, und bestimmt war das der Grund dafür, daß sie ihre Beherrschung verlor. »Es ist wirklich sehr schwer, mit dir auszukommen – weshalb bist du nur immer so störrisch?« rief sie.
Diese Anklage versetzte Royce augenscheinlich in ehrliches Erstaunen. »Es ist überhaupt nicht schwer, mit mir auszukommen«, widersprach er.
Er streckte die Arme aus, zog sie auf seinen Schoß und umfaßte ihre Taille. Noch ehe sie protestieren konnte, schob er ihr ein Stück Käse in den Mund.
Sie beendeten schweigend das Mahl, dann lehnte sich Nichola an Royces Schulter und sagte: »Wirst du freundlicher sein, wenn wir zu Hause angekommen sind?«
Diese Frage war so unsinnig, daß sie keine Antwort verdiente. Er war immer freundlich – außer natürlich auf dem Schlachtfeld. Sie hielt ihn also für unfreundlich? Lieber Himmel, er war viel zu müde, um sich mit solchen Dingen auseinanderzusetzen. »Bist du bereit, schlafen zu gehen?«
»Ich bin bereit, mich mit meinem Mann zu
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