Die Braut des Normannen
Mund, schmeckte ihn, streichelte ihn, und Nichola war dem Wahnsinn nahe. Er hielt sie fest im Arm, als seine Lippen immer und immer wieder über die ihrigen streiften. Er spürte, daß sie am ganzen Körper bebte, und er fürchtete schon, daß er sie zu Tode erschreckt haben könnte. Sie war ja noch so unschuldig und unerfahren.
Ihre Zunge berührte die seine, und sie stöhnte. Plötzlich fühlte er, daß sie leidenschaftlich auf seine Zärtlichkeiten reagierte. Er war wie betäubt und verdammt nahe daran, jetzt und hier die Kontrolle über sich zu verlieren.
Er zwang sich dazu, sich von ihr zu lösen, und lächelte liebevoll, als er sie ansah. Ihre Lippen waren voll und rosig, und ihr Gesicht drückte grenzenloses Erstaunen aus.
Er strich mit dem Daumen über ihre Lippen.
»Ich glaube nicht, daß mein Vater meine Mutter je auf diese Art geküßt hat«, hauchte sie.
Seine Augen blitzten schalkhaft, und er ging auf ihren neckenden Tonfall ein. »Ich denke schon, schließlich hatten sie ein paar Kinder.«
Er küßte sie noch einmal flüchtig und ohne Leidenschaft, und sie war nicht imstande, ihre Enttäuschung zu verbergen, als er aufstand. »Schlaf jetzt, Nichola«, sagte er. »Wir haben die Traditionen eingehalten.«
Diesmal bedankte sie sich nicht und seufzte statt dessen zufrieden. Noch ehe Royce die Tür erreicht hatte, schlief sie tief und fest.
Die Wache auf dem Flur wechselte gerade – alle vier Männer waren erfahrene Soldaten, die unter Royces Kommando standen. Einer hielt einen Pokal mit dem Schlaftrunk, den Baron Samuel schickte, in der Hand. Royce gab den Befehl, die Medizin wegzuschütten, und wies einen der Soldaten an, Lawrence auszurichten, daß er ihn sprechen wollte.
Lawrence war ein paar Minuten später zur Stelle. Royce, der die Wachsoldaten noch nicht entlassen hatte, obwohl deren Dienst eigentlich zu Ende war, erklärte den fünf Männern, was geschehen war, und traf einige Anordnungen.
Der erste Offizier der königlichen Palastwache sollte so rasch wie möglich über die Vorfälle und die mögliche Bedrohung informiert und die Anzahl der Wachen verdreifacht werden. Das ganze Schloß und der Park mußten durchsucht werden. Die alte Frau lungerte möglicherweise noch in der Nähe herum, und Royce wollte sie dingfest machen.
»Was unternehmen wir wegen der Männer, die Euch in der Morgendämmerung aufsuchen wollen?« fragte Lawrence.
»Ich kümmere mich selbst um sie«, erwiderte Royce. »Ich glaube jedoch kaum, daß sie sich blicken lassen. Sie haben die alte Frau nur als Kurier benutzt, um meiner Frau die Nachricht zu übermitteln, und wahrscheinlich haben sie vor, Nichola nach vollbrachter Tat sich selbst zu überlassen. Es wäre zu gefährlich für die Burschen, persönlich auf der Bildfläche zu erscheinen und aktiv zu werden.« Er holte tief Luft. »Guter Gott, ich hoffe, daß ich mich irre«, gestand er. »Mir wäre es nur recht, wenn sie es versuchen würden, dann hätte ich die Gelegenheit, diese verdammten Schurken selbst zu töten. Sie haben meine Frau erschreckt.«
Lawrence spürte, daß sein Baron erboster über die Tatsache war, daß man Nichola Angst eingejagt hatte, als über die Morddrohung – das sagte eigentlich alles.
Die Soldaten und Lawrence verbeugten sich und machten sich daran, ihre Befehle auszuführen. Royce hielt persönlich auf dem Flur Wache, bis zwei der Soldaten zurückkehrten, erst dann öffnete er die Tür und trat in das Gemach.
Nur knapp eine Stunde später klopfte Lawrence. »Wir haben die alte Frau gefunden«, berichtete er leise, nachdem Royce auf den Korridor gekommen war und die Tür hinter sich geschlossen hatte. »Sie ist tot, man hat ihr den Hals gebrochen und den Leichnam hinter einen Stapel Kisten und Körbe geworfen. Sollen wir alle Angelsachsen, die sich im Palast befinden, zusammenrufen und befragen?«
Royce schüttelte den Kopf.
Diejenigen, die William die Treue geschworen haben, würden sich beleidigt fühlen, wenn wir ihnen ein solches Mißtrauen entgegenbringen. Vermutlich würde das den König nicht stören, aber uns hilft eine solche Maßnahme nicht weiter. Wenn es einen angelsächsischen Verräter bei Hofe gibt, bekämen wir bestimmt keine ehrlichen Antworten von ihm. Wir müssen uns eine andere Methode ausdenken, um die Übeltäter aufzuspüren.
Lawrence nickte zustimmend. »Eine Menge Leute halten sich im Palast auf, Baron«, sagte er. »Ich kenne nur einen ganz kleinen Teil von ihnen. Es wird schwierig sein, die
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