Die Braut des Normannen
nicht mehr so schlecht ging – aber was sollte sie ihm sagen.
Sie brauchte Zeit zum Nachdenken und mußte erst die Neuigkeit verdauen, daß Thurston am Leben war. Sie war immer noch wie gelähmt deswegen, und natürlich hocherfreut. Sie war seine einzige Schwester und durfte ihn nicht in Schwierigkeiten bringen, aber sie war jetzt auch Royces Frau und hatte ihm gegenüber auch eine Verantwortung. Gütiger Gott, das alles war so entsetzlich verwirrend.
Nichola begann zu zittern. Sie hatte schreckliche Angst um Thurston und um Royce. Sie kannte den Dickkopf ihres Bruders – er würde nicht aufgeben, bis er die Festung zurückerobert hatte, aber Royce würde Rosewood nicht kampflos aufgeben, einer der beiden würde sein Leben lassen, bevor alles geregelt war – vielleicht sogar beide.
Nichola wollte keinen von ihnen verlieren, aber was konnte sie nur tun? Sollte sie Royce die Wahrheit anvertrauen, oder würde sie Thurston dadurch verraten?
Tränen schossen ihr in die Augen. Sie brauchte einfach Zeit, um sich alles genau zu überlegen, bevor sie etwas unternahm.
»Sie hat Schmerzen«, brummte Royce. »Ich möchte, daß dem ein Ende gemacht wird. Sofort.«
Nichola hielt die Augen geschlossen. Sie wünschte, Royce würde sie in die Arme nehmen und ihr den Trost spenden, den sie im Moment so verzweifelt brauchte. Sie sehnte sich danach, daß er ihr sagte, daß alles wieder gut würde.
Gott helfe ihr, aber sie wünschte sich sogar, daß er sie liebte – wenigstens ein kleines bißchen. »Wir könnten jemand ins Kloster schicken und eine heilkundige Nonne holen lassen«, schlug Hugh vor.
Clarise suchte im Schrank nach einem Nachthemd für Nichola und brachte ein weißes Baumwollgewand zum Bett. Als Nichola stöhnte, brach Clarise in Tränen aus, ließ das Nachthemd fallen und drehte verzweifelt den Saum ihrer Schürze zwischen ihren Händen. »Lady Nichola darf nicht sterben«, rief sie aus. »Wir wären ohne sie verloren!«
»Hör auf, so dummes Zeug zu reden«, tadelte Hugh. »Sie wird bestimmt nicht sterben, sie hat nur ein bißchen Blut verloren, das ist alles.«
Clarise nickte und kümmerte sich um ihre Pflichten.
Hugh stand neben Royce und starrte Nichola an. Er rieb über seinen Bart und fragte: »War das ein Pfeil... ?«
»Sie hat sich vor mich geschmissen, damit er mich nicht trifft«, fiel Royce ihm ins Wort.
»Royce, sie wird wieder gesund«, behauptete Hugh. »Bist du in der richtigen Verfassung, mir zu erzählen, warum sie hier ist? Ich dachte, daß bei einem Turnier um ihre Hand gekämpft wird. Hat der König sich anders besonnen?«
Royce schüttelte den Kopf. »Sie ist meine Frau.«
Hugh zog eine Augenbraue hoch und grinste breit. »Also hast du dich auch um sie beworben. Ich dachte, du wolltest doch nicht an dem Turnier teilnehmen.«
»Ich habe mich nicht um sie beworben«, erwiderte Royce. Zum erstenmal seit seiner Ankunft verzog er den Mund zu einem Lächeln, als er hinzufügte: »Man könnte eher sagen, Nichola hat um meine Hand angehalten.«
Hugh lachte schallend. »Hinter dieser Geschichte steckt offensichtlich mehr. Ich verlange von dir, daß du mir alles beim Essen erzählst, aber jetzt möchte ich erst einmal erfahren, warum sich deine Frau vor dich geworfen hat. Du hast doch deine Rüstung getragen, oder nicht?«
»Natürlich.«
»Aber weshalb dann ...«
»Das kann ich erst beantworten, wenn Nichola aufwacht.«
Nichola hatte den Wortwechsel genau verfolgt und verzog das Gesicht, weil die Stimme ihres Mannes so schroff geklungen hatte. Sie beschloß, sich noch eine ganze Woche oder besser zwei Wochen schlafend zu stellen, zumindest so lange, bis sie entschieden hatte, was sie wegen Thurston unternehmen wollte. Sie würde Royce nicht belügen, sie hatte ihm ein Versprechen gegeben, und das konnte sie nicht brechen.
»Ich bete zu Gott, daß Lady Nichola weiß, wo sie sich befindet, wenn sie aufwacht.«
Clarises Bemerkung ließ beide Ritter aufhorchen.
»Was plapperst du da?« wollte Hugh wissen. »Natürlich wird sie sich erinnern, daß sie in ihrem Zimmer ist.«
Clarise schüttelte den Kopf. »Manche erinnern sich an überhaupt nichts mehr, wenn sie einen Schlag auf den Kopf bekommen oder zuviel Blut verloren haben. Einige sind vollkommen verwirrt, andere werden vergeßlich. Das ist wirklich wahr, ich weiß es genau.« Schluchzend setzte sie hinzu: »Vielleicht erkennt sie nicht einmal mich wieder.«
»Ich habe noch nie von solchen betrüblichen Vorkommnissen gehört«,
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