Die Braut des Normannen
sollte.
Er schlief nicht einmal im selben Zimmer wie sie. Clarise hatte erzählt, daß er in das Schlafzimmer, das früher Nicholas Eltern bewohnt hatten, gezogen war. Es war viel schöner und größer als Nicholas Zimmerchen, und es war nur allzu verständlich, daß er sich für diesen Raum entschieden hatte. Aber Nichola fand es unverschämt, daß er nicht bei ihr nächtigte. Er war immerhin ihr Mann, und sie sollten nebeneinander schlafen. Die Wahrheit schmerzte. Er hätte sie bitten können, das Bett mit ihm zu teilen – aber er tat es nicht.
So wollte Nichola auf keinen Fall weitermachen. Sie fühlte sich elend, und deshalb hatte sie beschlossen, ihren Stolz zu vergessen und diesem Possenspiel ein Ende zu machen. Es mußte doch eine Möglichkeit geben, eine richtige Ehe mit diesem Mann zu führen.
Zuerst mußte sie herausfinden, weshalb er ihr aus dem Weg ging. Vielleicht gefiel ihr die Antwort auf diese Frage nicht – schließlich wußte sie, wie ungehobelt er sein konnte, wenn er seine Meinung äußerte. Trotzdem war sie fest entschlossen, der Sache auf den Grund zu gehen.
Sie badete, wusch ihr Haar mit süß duftender Seife und kleidete sich mit Bedacht für das Abendessen an. Clarise half ihr dabei. Die liebe Frau war in Tränen ausgebrochen, als Nichola die Verbände von ihren Händen genommen hatte und all die Narben sichtbar wurden.
Nichola schämte sich wegen der Narben. Sie war nie besonders eitel gewesen, aber sie machte sich Sorgen, daß Royce die Narben ebenso abstoßend finden könnte wie sie.
Clarise bürstete Nicholas Haar, bis es seidig glänzte. Zweimal begann sie, einen kunstvollen Zopf zu flechten, und zweimal besann sich ihre Herrin anders.
Clarise hatte Nichola noch nie so unentschlossen oder zu unzufrieden mit ihrem Aussehen erlebt. »Was hat Euch so aufgebracht, Mylady?« fragte sie.
»Ich bin nicht aufgebracht, ich möchte nur heute abend besonders hübsch aussehen.«
Clarise lächelte. »Möchtet ihr für jemand speziellen hübsch aussehen?«
»Für meinen Mann«, entgegnete Nichola. »Ich möchte seine Aufmerksamkeit auf mich ziehen.«
»Das ist sehr aufschlußreich.«
Nichola war froh, daß die Dienerin ihr Gesicht nicht sehen konnte – sie fühlte selbst, daß sie feuerrot wurde. »Ich habe mir einen glänzenden Plan zurechtgelegt.«
Clarise kicherte. »Ihr habt immer glänzende Pläne, Mylady.«
Nichola lächelte über das Lob. »In diesen schwierigen Zeiten muß man immer einen Schritt vorausdenken.«
»Die Zeiten sind gar nicht mehr so schwierig«, sagte Clarise. »Euer Gemahl hat Ordnung in diesem Haushalt geschaffen, Mylady.«
Nichola schüttelte den Kopf. Clarise konnte leicht optimistisch sein – sie wußte ja nicht, daß Thurston noch lebte. Nichola hatte ihr Geheimnis bis jetzt mit niemandem geteilt. Sie konnte nicht einmal an ihren Bruder denken, ohne ein beklemmendes Gefühl in der Brust zu spüren.
»Für manche ist der Krieg vorbei«, flüsterte sie. »Für andere hat er gerade erst begonnen.«
»Was redet Ihr da für einen Unsinn, Mylady?« rief Clarise. »Ihr sprecht doch nicht von Eurer Ehe, oder? Ihr habt keinen Krieg mit Eurem Mann. Ihr seid nur ein bißchen eigensinnig, wenn Ihr meine Meinung hören wollt.«
Nichola schwieg und reagierte erst, als Clarise sie bat: »Erzählt mir von Eurem Plan, Mylady.«
»Ich werde heute beim Abendessen besonders reizend zu ihm sein«, erklärte Nichola. »Ganz egal, welche schrecklichen Dinge Royce tut oder sagt, ich werde ganz ruhig bleiben. Ich hoffe nur, daß er merkt, wie entgegenkommend ich bin, und daß er ebenso freundlich darauf reagiert. Dann wird er sich meinen Wünschen nicht mehr verschließen und meine Familie nach Hause kommen lassen.«
Clarise konnte ihre Enttäuschung nicht verbergen, und Nichola sah ihr langes Gesicht, als sie aufstand, um ihren geflochtenen Gürtel zu holen. »Hältst du diesen Plan für schlecht?«
Nichola legte sich den Gürtel um und steckte ihr Messer in eine der Schlaufen.
»Ich habe mir noch mehr vorgenommen«, vertraute Nichola ihrer Dienerin an. »Ich bin nicht gerade glücklich darüber, wie meine Ehe verläuft. Es ist sehr schwer, mit Royce auszukommen – du hast sicherlich bemerkt, daß er mich gar nicht beachtet. Jedesmal, wenn ich über Justin und Ulric mit ihm sprechen will, dreht er sich um und geht. Er ist schrecklich unhöflich. Wenn ich meine Bitte vortrage, merke ich plötzlich, daß ich nur noch mit seinem Schatten spreche.«
»Eure Bitte?«
Weitere Kostenlose Bücher