Die Braut des Piraten
»Also, wo finde ich Brian Morse?«
Godfrey erwiderte wortlos seinen Blick. Anthony nickte Mike zu, der Godfreys Handgelenke packte und sie im Rücken zusammenhielt, damit Jethro sie fesseln konnte. Anthony führte die Spitze seines Messers an Godfreys Ohr. »Ich frage mich, ob es als Strafe für einen Wrackräuber ausreicht, wenn man ihm die Ohren ein bisschen zerhackt. Vielleicht sollte ich einfach beide Ohren absäbeln und Euch die Nase aufschlitzen, um Euch unauslöschlich als Schurken zu brandmarken.« Er fuhr mit der Dolchspitze hinter Godfreys Ohr entlang und hinterließ eine dünne rote Linie.
Godfrey schwitzte, und Olivia wurde klar, dass Anthony sie besser kannte als sie sich selbst. So sehr sie Channing verabscheute – das konnte sie nicht mit ansehen. Sie drehte sich um und lief den Strand entlang zu den Männern, die sich um die Verwundeten kümmerten. Hinter ihr gellte plötzlich ein Schrei, der genauso plötzlich aufhörte.
Es kam ihr sehr lange vor, bis Anthony über den Strand zu ihr lief. Olivia kniete gerade neben einem der Verwundeten. Sie blickte nicht auf, als Anthony neben ihr stehen blieb. Ihr fiel auf, wie lang seine sandigen Füße mit den ein wenig knorpeligen Zehen waren, und sie fragte sich, warum ihr dies nie aufgefallen war. »Hat er es gesagt?«
»Ja.«
»Ist Brian auf der Insel?«
»Ja.«
Nun blickte Olivia zu ihm auf. »Wo?«,' flüsterte sie. Sie wirkte auf einmal gehetzt, ihre Hochstimmung von vorhin war durch den Gedanken an Brians Nähe ausgelöscht.
»Offenbar in Ventnor.«
»Er kam zurück, um mir etwas anzutun, mir oder meinem Vater«, flüsterte sie mit Überzeugung. »Er muss einen Plan haben, etwas …«
»Es sieht aus, als sei es seine Idee, dass du für Channing die ideale Frau wärest. Die ideale reiche Frau. Wenn ich unseren Freund richtig verstand, so sah sein Plan eine Beteiligung am finanziellen Gewinn vor.« Er schüttelte in gespieltem Erstaunen den Kopf. »Auf was für Ideen die Leute kommen.«
»Dahinter steckt mehr«, sagte Olivia. »Nicht nur das Geld. Er will uns noch auf irgendeine andere Weise demütigen.«
»Was wäre demütigender, als dich mit einem Mann wie Godfrey Channing vermählt zu sehen? Ich bezweifle sehr, ob der Granville-Stolz die Wahrheit ertragen hätte.«
»Ein von Grund auf schlechter Mensch. Du hast ihn verwundet?«
»Nur so weit es nötig war«, erwiderte Anthony ruhig. »Und jetzt läuft er an Mikes Steigbügel gebunden nach Yarmouth, wo er sich Richtung Türkei einschiffen wird. Von dort wird er nur schwer nach Hause finden.«
»Die Türken werden ihn in die Sklaverei verkaufen«, mutmaßte Olivia bange. »So verfährt man doch dort mit Fremden?«
»Schon möglich. Ein verdientes Schicksal. Er wird die Reise möglicherweise gern mit Mr. Morse gemeinsam unternehmen.«
»Aber … wie wäre das möglich?«
»Mit ein wenig Einfallsreichtum, meine Blume.« Er lachte über ihr erstauntes Gesicht. Dies war der Anthony, wie sie ihn kannte. Ein Mann mit kühner Belustigung im Blick, einem launigen Zucken um den Mund; ein Mann, der in vollen Zügen genoss, was das Leben zu bieten hatte und seiner Fähigkeit sicher, allen Irrungen und Wirrungen des Schicksals gewachsen zu sein. Dies war der Anthony aus den ersten Tagen ihrer Verzauberung, und sofort hob sich ihre Stimmung.
Er strich ihr nasses Haar aus dem Gesicht. »Ich benötige deine Hilfe, um meiner Erfindungsgabe auf die Sprünge zu helfen.«
»Wie das?«
»Nichts zu Schwieriges. Ich werde alles zeitgerecht erklären.«
Er beugte sich über den Verwundeten und untersuchte dessen Schulterwunde. »Den Henker wirst du noch erleben«, knurrte er abschätzig. »Du und deine mörderischen Freunde.«
Er stand auf, nahm Olivias Hand und zog sie hoch. »Adam?«
»Ja?« Adam kam näher.
»Wie sieht es mit den Verwundeten aus?«
»Tim hat einen Kratzer, und Colin brach sich einen Finger.«
»Das ist alles?«
Adam nickte. »Sam holt die Wache, damit sie die Bande abführt.«
»Gut, dann wollen wir uns trocknen. Sag den Männern, sie sollen sich ein Bett an Land suchen. So kehren wir nicht auf die
Wind. Dancer
zurück.«
Adam sah Olivia an. »Wie ein schlechter Penny taucht Ihr immer wieder auf«, stellte er unumwunden fest. »Was zum Henker treibt Ihr hier draußen?«
»Das frage ich mich auch«, grinste Anthony. »Ein rätselhafter Gesinnungswandel. Aber ich werde die Antwort finden.« Seine Finger schlössen sich noch fester um ihre Hand.
Als fiele es ihm erst gerade
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