Die Braut des Piraten
lehnte.
»Wenn du den Herrn verraten hast, werden es viele auf der Insel nicht vergessen.«
»Was hätte ich denn machen sollen, nachdem er mir so zusetzte«, knurrte er und warf sich auf den Strohsack.
»Hier gibt es viele, die nicht schwach geworden wären, komme, was da wolle«, widersprach Prue leise.
Giles ritt zurück nach Carisbrooke, doch als er ankam, war es spät, der König war schon in seinem Gemach, und Lord Granville war mit Gemahlin und Tochter nach Chale zurückgekehrt. Die Männer, die Giles beauftragt hatte, den Wirt des Ankers zu verhören, hatten wenig zu berichten. George kannte keinen Edward Caxton. Er sprach vertraut von einem Mann, den er >unseren Freund< nannte, und gestand nach einiger Überredung, dass dieser auch als Herr bekannt war. Auf ihn war stets Verlass, wenn es darum ging, an Schmuggelgut heranzukommen. Trat er in Erscheinung, dann immer als Fischer verkleidet. Abgesehen davon stellte niemand Fragen und lieferte keine Informationen.
Giles ritt nach Chale und bekam Bescheid, dass Lord Granville schon zu Bett gegangen sei. Falls er wirklich wichtige Informationen hatte, würde man Seine Lordschaft wecken, andernfalls der Sergeant am frühen Morgen Bericht erstatten sollte.
Giles kämpfte nun mit sich, ob diese Information es erforderte, seinen Herrn aus dem Ehebett zu holen. Er hörte, wie der Wind zunahm und in großen kreisenden Wirbeln vom Meer über die Klippen dahinfegte. Kein Mensch, der alle fünf Sinne beisammen hatte, würde in einer Nacht wie dieser versuchen, den König zu retten.
Nachdem sich also Giles selbst zu Bett begeben hatte, lag er da und rief sich den Küstenverlauf der Insel ins Gedächtnis. Puckaster Cove lag direkt unterhalb von Niton. Und Niton war der Ort, wo George und der Anker beheimatet waren. Es musste ein Zusammenhang bestehen.
Olivia lag da und lauschte dem nächtlichen Tosen. Sie konnte hören, wie die Wellen sich an der etwa zwei Meilen entfernten Küste von Chale Bay brachen. Ein gezackter Blitz erhellte ihr Fenster, Sekunden später folgte der Donnerschlag.
Es war die Nacht der Wrackräuber, eine Nacht, wie geschaffen, um einen Schiffbruch zu inszenieren.
Aber für Anthony gab es im Moment Wichtigeres. Er musste die Insel verlassen, musste sich in Sicherheit bringen. Er würde doch gewiss seine Freiheit nicht für die Schätze eines Wracks aufs Spiel setzen?
Freilich war sie nicht im Stande, ihn richtig einzuschätzen. Trotz allem, was sie gemeinsam erlebt hatten, wusste sie nur, dass er Söldner war und Gefahr liebte. Von seinen wahren Motiven wusste sie nichts.
Der Ast der Magnolie klapperte gegen die rautenförmigen Fensterscheiben. An Schlaf war nicht zu denken. Olivia stand auf und trat ans Fenster. Ihre Stirn ans Glas drückend starrte sie hinaus in den dunklen Garten, in dem die im Wind schwankenden Bäume ein eigenartiges und geisterhaftes Leben anzunehmen schienen.
Kämpften sich jetzt Schiffe dort draußen durch die schwarze schaumgekrönte See? Vor ihrem geistigen Auge sah sie die schroffen schwarzen Felsnadeln von St. Catherine^ Bay, an denen die See sich auch an ruhigen Tagen wild brach. Wie mochte es erst zu diesem Zeitpunkt dort sein?
Das Verlangen hinzugehen und selbst Nachschau zu halten wurde übermächtig. Es war Wahnsinn, sich in einer Nacht wie dieser ins Freie zu wagen und den Klippenpfad zu nehmen. Und doch war ihr, als hätte sie keine andere Wahl.
Portias Breeches und Wams hatte sie noch. Ohne weiter zu überlegen zog Olivia sich an. Sie nahm ihren dicksten Mantel und tappte hinunter.
Auf Zehenspitzen schlich sie durch das dunkle Haus und die pechschwarze Halle. Die Hunde schauten auf und knurrten leise, als sie in die Küche schlüpfte, doch erkannten sie Olivia sofort und ließen die Köpfe mit tiefem Schnaufen wieder auf die Pfoten sinken.
Die rückwärtige Tür der Spülküche öffnete sich auf den Küchengarten. Als Olivia den Riegel hob, riss ihr der Wind die Türe aus der Hand, sodass sie gegen die Hauswand krachte. Als die Hunde anschlugen, lief sie rasch ins Freie und drückte die Türe hinter sich zu.
Der Wind heulte, die Bäume schwankten, der Regen prasselte. Niemand würde den von ihr verursachten Lärm in diesem Aufruhr der Elemente bemerken.
Olivia brachte die kleine Pforte im rückwärtigen Teil des Küchengartens hinter sich, umrundete den Obstgarten und erreichte die Straße in einiger Entfernung vom verschlossenen und verriegelten Haupttor.
Der Wind zerrte an ihrem Mantel, sie war in
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