Die Braut des Piraten
seine langen, muskulösen Schenkel.
»Hör auf!«, forderte er lachend, als er nach einem Handtuch griff und sich energisch abtrocknete. »Das reicht, um einen Mann in Verlegenheit zu bringen.«
»Ach was!«, tat Olivia verächtlich. »Ich dachte, du seist derjenige, der den menschlichen Körper bewundert, sei er dick, dünn, bucklig oder gerade. Die Krone der Schöpfung. Hast du das nicht gesagt?«
»Und es stimmt«, sagte er und stibitzte ihr das nasse Handtuch aus der Hand. Sein Blick streichelte ihren Körper und verharrte auf jedem Millimeter.
Olivia erschauerte, und er bückte sich nach einem anderen Handtuch.
»Du wirst dir den Tod holen!« Nun rieb er sie ab, drehte und wendete sie wie eine Stoffpuppe, neigte sie über seinen Unterarm, um Rücken, Kehrseite und Schenkel zu trocknen.
Als er zufrieden war, warf er das Handtuch beiseite und griff nach einer Decke, in die er sie einhüllte. »So, jetzt bist du fertig fürs Bett.«
»Ich dachte, du wolltest mich zeichnen.« Olivia kuschelte sich tiefer in den groben Wollstoff der Decke.
»Am Morgen, wenn die Sonne dich wärmt.« Er warf mehr Holz aufs Feuer. Die Haut des Brathähnchens bräunte sich zusehends. »Es wird bald fertig sein.«
»Sehr gut. Ich bin fast verhungert.« In die Decke gehüllt, setzte sie sich ans Feuer.
Anthony öffnete einen Korb und entnahm ihm einen Laib Brot, Käse, eine Flasche Wein und zwei Zinnbecher. Er schenkte Wein ein, einen hellen kremigen Kanarenwein, und brach Brot ab. »Heute essen wir mit den Fingern.«
»Wie sonst?« Olivia nahm den Becher und das knusprige Stück Brot. Es schmeckte so köstlich, als sei es eben aus dem Backofen gekommen. »Brauchst du nicht auch eine Decke?«
»Mir ist nicht kalt«, erwiderte er mit seinem undeutbaren kleinen Lächeln.
»Dann kannst du nichts dagegen einwenden, wenn ich d-deinen Anblick genieße«, murmelte sie undeutlich, da sie den Mund voller Brot und Käse hatte.
Anthony lachte vergnügt und hockte sich ans Feuer, um mit der Spitze seines Dolches zu prüfen, ob das Hähnchen schon fertig war. Der Schein des Feuers tanzte über Anthonys tiefbraune Haut, fiel auf die knorpelige Linie seines Rückgrats und schickte einen Lichtfinger in die dunklen verborgenen Schatten seiner Lenden.
Olivia, die in ihre Decke gekuschelt dasaß, trank Wein und beobachtete ihn mit unverminderter Lust. Plötzlich fiel ihr Godfrey Channing ein. Was er wohl denken würde, wenn er sie so sehen könnte? Und sie dachte an Brian, prüfte den Gedanken wie einen empfindlichen Zahn, und wartete, dass der Nerv mit Schmerz reagierte.
Anthony hob ein Hähnchenbein an und prüfte die Farbe des austretenden Fleischsafts. »Frierst du?« Er fragte es, ohne aufzuschauen und spürte doch die Veränderung in ihr. Nun scheute er sich erst recht, sie anzusehen und möglicherweise erneut Abneigung und Zurückweichen in ihren Augen zu lesen.
»Nein«, antwortete sie und stützte ihr Kinn auf die angezogenen Knie. »Nein, gar nicht.« Ihre Stimme klang fest.
Erst als er spürte, wie ihn Erleichterung durchflutete, wurde Anthony klar, wie groß die Angst war, die er vor einer Zurückweisung gehabt hatte. Er machte sich daran, das Brathähnchen geschickt mit den Fingern zu zerlegen, schnitt die Knochen der Brust mit seinem Dolch in der Mitte durch und häufte das köstlich duftende Fleisch auf zwei große flache Steine.
Sie aßen und tranken beim Schein des Feuers, während der Mond hochstieg und seine silberne Lichtflut übers Meer ergoss.
Später lag Olivia in seinen Armen unter den Decken. Sie war schläfrig, und doch wollten ihr die Augen nicht zufallen. Das reich geschmückte Himmelszelt war zu schön. Nach der Liebe war sie von so viel Frieden und Befriedigung erfüllt, dass nicht einmal die Gewissheit der flüchtigen Natur dieser Gefühle ihre träge Freude zu verderben vermochte. Es war, als hätten sich ihre Wunden geschlossen. Dies war die Erinnerung, die sie mit sich tragen würde. Noch in vielen Jahren würde sie wissen, wie es sich angefühlt hatte, hier unter dieser rauen Decke im Feuerschein zu liegen, dem Schlummerlied der Wellen zu lauschen, die sich am Ufer brachen. Anthonys Körper neben sich, ihr Kopf auf seiner Schulter, seine Beine um sie geschlungen. Vielen Frauen … den meisten … war es nicht vergönnt, diese innige Freude jemals zu erleben.
Diese eine tiefe Leidenschaft würde ihr Leben lang vorhalten, und sie
musste
genügen und besser sein als womöglich Jahre während Ödnis und
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