Die Braut des Ritters
Avelyn ihr Leben lieber nicht verwetten.
Paen alleine zu lassen, um Hilfe zu holen, kam für sie allerdings auch nicht infrage. Zwar waren sie nicht allzu weit gegangen, aber in der kurzen Zeit, die sie benötigen würde, um zur Burg zu gelangen und mit Hilfe zurückzukehren, konnte viel passieren. Das war eine Lektion, die Avelyn seit der Hochzeit gründlich gelernt hatte. Sie niederzuschlagen und durchs Loch zu stoßen war nämlich eine Sache von kaum einem Herzschlag gewesen, und noch rasanter war der Stein auf sie niedergerast. Paen mochte also alles Mögliche zustoßen, während sie fort war. Nay, auf keinen Fall würde sie ihn allein hier zurücklassen - was wohl bedeutete, dass sie ihn dorthin bringen musste, wo Hilfe wartete, anstatt Hilfe herzuholen.
Ihr Bruder Warin hatte ihr immer vorgehalten, sie sehe die Dinge stets zu rosig. So zuversichtlich sie gemeinhin auch war, musste sie einräumen, dass sie ihren Gemahl schwerlich zur Burg würde bringen können - oder auch nur so weit aus dem Wald heraus, dass sie die Wachen auf dem Wehrgang auf sich aufmerksam machen konnte. Sie konnte ihn nicht tragen, und ihn an Armen oder Beinen durch den Dreck zu schleifen würde ihm kaum guttun. Dann fiel ihr Blick auf das Fell, auf dem Paen lag, und ihr kam eine Idee.
Sie rief Samson zu sich, stand auf, begutachtete das Fell und prüfte Paens Lage darauf. Es mochte klappen. Sie legte die Provianttasche neben ihn, rollte ihn ins Fell ein und hielt inne, als sie die zerquetschten Apfel- und Pflaumenreste sah. Sie erinnerte sich, dass sie Samson mit dem Obst gefüttert hatte. Ebenso sah sie jetzt vor sich, wie das Schweinchen es verschmäht hatte. Sie hätte die Stücke in den Wald werfen oder wieder in den Beutel tun sollen, anstatt sie achtlos liegen zu lassen. Denn zweifellos war es das Obst gewesen, auf dem Paen ausgeglitten war.
Dann ist also wieder einmal alles meine Schuld, dachte Avelyn betrübt. Sie schob die Gewissensbisse aber beiseite, bückte sich und packte die Enden des Fells. Eine Ecke in jeder Hand, trat sie einen Schritt zurück und zog versuchsweise. Als das Fell, wenn auch mit einigem Widerstand, über den Grasteppich glitt, stieß sie einen Seufzer der Erleichterung aus.
Aye, sie würde es schaffen, sagte sie sich, drehte sich um, sodass sie mit dem Rücken zum Fell stand. Erneut griff sie nach den Enden und zerrte. Auf dem Hinweg war es ihr vorgekommen, als liege die Stelle, die Paen für sie ausgewählt hatte, nicht weit entfernt von der Burg. Der Rückweg hingegen ließ anderes vermuten. Avelyn gab aber nicht auf, und so gelang es ihr endlich, aus dem Wald herauszutreten.
Als sie die Bäume hinter sich gelassen hatte, blieb sie stehen, wandte sich Richtung Tor und schwenkte die Arme. Ob die Männer sie bemerken würden, wusste sie nicht, denn auf der Mauer war keine Menschenseele zu sehen. Seufzend blickte sie auf Paen hinab und lächelte, als sie sah, dass Samson die Gelegenheit genutzt und es sich auf Paens Brust bequem gemacht hatte. Eine perfekte Möglichkeit, um sich ebenfalls ziehen zu lassen.
Avelyn schüttelte den Kopf ob dieses Bilds, nahm die Ecken des Fells wieder auf und setzte ihren Weg fort. Sie war noch nicht weit gekommen, als mehrere Reiter aus dem Burgtor schossen und auf sie zuhielten.
Erschöpft von den Strapazen, begnügte sich Avelyn mit einer kurzen Erklärung, während man sie und Paen je auf ein Pferd setzte und zur Burg brachte. David kam ihnen im Hof entgegen. Der Junge war schon halb beim Tor, machte jedoch kehrt, als er die Truppe sah. Er rannte zur Außentreppe des Wohnturms, klug genug, keine Fragen zu stellen. Stumm eilte er neben Avelyn her hinauf zum Schlafgemach.
Diamanda und Lady Helen fuhren von ihren Plätzen am kalten Kamin in der Halle hoch und hasteten ihnen nach. Avelyn wischte ihre Fragen beiseite, schritt den Männern voran nach oben, öffnete die Tür zur Kammer und ließ Paen hineintragen.
„Mylady!“ Runilda kam durch den Raum auf sie zugestürmt, die Miene besorgt. „Was ist denn geschehen?“
„Paen ist gestürzt und hat sich den Kopf angeschlagen. Meine Heilmittel, Runilda“, befahl sie knapp. „Und Nadel und Faden. Die Wunde blutet noch immer, und ich fürchte, ich muss sie nähen.“
„Wie ist das passiert?“, fragte Diamanda. Sie war den Männern ins Gemach gefolgt und hatte Avelyns Worte an Runilda gehört.
„Er ist auf einem Stück Obst ausgeglitten und mit dem Kopf auf einem Ast aufgeschlagen“, sagte sie, während die
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