Die Braut des Ritters
Flammen!“
Warin regte sich als Erster. Er sprang auf und brüllte etwas verspätet nach Wasser, während er auf Avelyn zueilte. Aber er rannte nicht die Treppe hinauf, wie sie erwartet hatte, sondern blieb vor ihr stehen und schirmte sie vor den Blicken der Menge ab.
„Du solltest wieder nach oben gehen, Schwesterherz, denn du weckst eine Art von Hunger, die das Festmahl nicht stillen kann.“
Verwirrt starrte sie ihn an und folgte seinem unbehaglichen Blick an ihrem Leib hinab. Erst da ging ihr auf, dass sie nichts als ein Laken trug und dieses zudem feucht war und ihre Rundungen überaus unschicklich wie eine zweite Haut umschmiegte. Sie seufzte innerlich darüber, sich erneut in eine missliche Lage gebracht zu haben. Doch andererseits kam es auf eine Demütigung mehr wohl kaum noch an. Solange Paen nur endlich Hilfe erhielt, dachte sie - und sah schließlich erleichtert die Küchentür auffliegen und mehrere Bedienstete mit Eimern herausstürzen. In ihrer Hast verschütteten sie beim Laufen Wasser. Das Getöse und Gepolter, das an die hundert Männer veranstalteten, als sie aufsprangen und nach den Eimern griffen, wirkte beruhigend auf Avelyn. Endlich hatten sie die Absicht, etwas gegen das Feuer zu unternehmen.
„Bildet eine Kette zum Brunnen! “, hörte sie ihren Vater laut donnern in dem Versuch, etwas Ordnung ins Chaos zu bringen. Kopfschüttelnd wandte Avelyn sich um und hastete die Stufen hinauf, wobei sie ihren Bruder dicht hinter sich spürte.
In der Zwischenzeit war der Qualm dicker geworden. Avelyn schlug das Herz bis zum Hals, als sie die Kammer erreichte, Paen jedoch nirgends sah. Es war, als sei dichter Nebel durchs Fenster hereingewabert und habe den Raum in Dunkelheit getaucht. Was immer in der brennenden Truhe gewesen war, hatte den Rauch schier undurchdringlich werden lassen. So etwas hatte sie noch nicht erlebt.
„Warte hier.“ Warin drängte sie beiseite, entriss dem erstbesten Helfer den Eimer und stürmte ins Gemach. Avelyn stellte sich neben die Tür, um nicht im Weg zu sein, wobei sie es allerdings nicht lassen konnte, wieder und wieder in die Kammer zu spähen, um sich zu vergewissern, dass Paen auf den Beinen und nicht vom Qualm niedergestreckt worden war. Dies allerdings ließ sie den Helfern in die Quere geraten. Mann um Mann stieß sie beiseite und grinste sie jeder auf andere Weise an. Das mutete Avelyn seltsam an, denn Gleiches war ihr bislang nie widerfahren. Die Männer im Dienste ihres Vaters hatten sie stets wohlwollend behandelt, doch dieses Grinsen nun schien gänzlich anderer Natur zu sein.
Ihr blieb wenig Zeit zum Wundem. Jäh tauchte ihre Mutter neben ihr auf, packte sie am Arm und führte sie durch die umherwuselnden Männer zu Warins Gemach. In diesem untersuchte sie Avelyn eingehend auf Blessuren, und Avelyn berichtete ihrerseits, was den Brand ausgelöst hatte. Wobei sie sich darauf beschränkte zu erklären, dass sie die Kerze umgestoßen hatte. Wohlweislich ließ sie den Umstand aus, dass sie die Flamme hatte löschen wollen, damit Paen ihren Körper nicht sah. Dass Paens Küsse sie abgelenkt hatten, verschwieg sie ebenfalls. Sie argwöhnte jedoch, dass ihr Erröten und der Scharfsinn ihrer Mutter genügten, um ein allgemeines Bild von der Lage zu vermitteln.
Ihre Mutter tätschelte ihr die Hand und murmelte etwas Tröstendes im Sinne von „Unfälle passieren“, als die Tür aufging und ihr Vater mit einem verrußten Warin an der Seite hereinstapfte. Avelyn stürzte zu ihnen.
„Geht es Paen gut? Er ist nicht etwa verletzt?“, fragte sie ängstlich.
Fast zeitgleich war ihre Mutter bei Warin. „Bist du unversehrt, Junge?“, wollte sie wissen und untersuchte ihn ebenso gründlich wie zuvor Avelyn.
„Mir fehlt nichts, Mutter“, beteuerte Warin rasch und wandte sich Avelyn zu, die von einem schlechten Gewissen geplagt wurde, weil sie so wenig Sorge für ihren Bruder zeigte, den sie doch von Herzen liebte. „Was Paen angeht, so hat er sich wohl die Hände versengt und jede Menge Rauch eingeatmet. Ich denke, er ...“
„Wo willst du hin, junge Dame?“, polterte ihr Vater, als Avelyn zur Tür eilte.
„Ich ... Warin sagte, Paen habe sich die Hände versengt, und ich dachte, ich könnte ...“
„Lady Christina wird sich um ihn kümmern“, beschwichtigte ihre Mutter sie, fasste sie bei den Schultern und führte sie von der Tür weg.
„Aber ...“
„Nay, kein Aber, mein Kind“, erwiderte ihr Vater fest. „Du bist wohl kaum angemessen
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