Die Braut des Satyrs
gehorchen wollte. Das hatte jedoch nur zur Folge, dass seine Kopfschmerzen beständig schlimmer wurden.
Sein drogenvernebeltes Gehirn arbeitete enervierend langsam und zwang Puzzleteile zusammen, die nicht zusammengehörten: Ein Traum von Blut; Juliettes hingeschriebener Name; die gestohlenen Andenken.
In welcher Beziehung stand all das zueinander?
Schließlich gelangte er zu einem gefährlichen, unlogischen Schluss und sprang auf. Er hatte voreilig geplant gehabt, Juliettes jungfräuliches Blut zu verkaufen! In seinem jüngsten Brief hatte er sie Satyr angeboten, wohl wissend, dass sie dem Druck nicht standhalten könnte, den er auf sie ausüben würde. Satyr würde sie letztlich ins Bett bekommen. Und nun begriff er, dass es andere, seltsame überirdische Kreaturen gab, die seine geliebte Juliette ebenfalls unbedingt wollten.
Sowie die schimmernden Gestalten wiederkamen, würde er mit ihnen gehen, wohin sie ihn führten, und ihnen Juliette übergeben, unbeschmutzt. Sicher bekam er dafür eine Belohnung.
Gold. Magie – von der Art, wie Juliette sie besaß, denn diese wollte er sehr gern.
Diese Erkenntnisse verliehen ihm neue Kraft. Er rannte den Flur hinunter, eilte die Treppe ins Dachgeschoss hinauf und stieß Juliettes Tür auf.
Ihre Sachen waren alle noch da, aber sie nicht! Erschrocken rannte er wieder nach unten. Auf dem Korridor kam er an Gina vorbei, die er am Arm packte. »Wo ist Juliette?«
Sie wich vor seinem Gestank zurück und wedelte sich mit einer Hand vor der Nase. »Ich weiß es nicht. Manchmal ist sie morgens bei Fleur.«
Gina hatte recht. Er stank abstoßend. Verlegen lief er in sein Zimmer, schleuderte die Hose beiseite, säuberte sich und zog sich in Rekordzeit frische Kleidung an.
Als er zu Fleurs Zimmer kam und die Tür aufwarf, empfand er tiefe Erleichterung. Dort lagen zwei Mädchen schlafend im Bett. »Juliette? Fleur?«
»Monsieur?«
Die Decke glitt herunter, und beide Mädchen setzten sich blinzelnd auf. Agnes und Marie.
Seine Finger griffen den Türknauf fester. »Wieso seid ihr hier? Wo ist Juliette?«
Agnes gähnte. »Gestern Abend hast du gesagt, dass ich Fleurs Zimmer haben darf, weil sie fort ist. Und Juliette habe ich nicht gesehen.«
»Wenn sie nicht in ihrem Zimmer ist, kauft sie vielleicht in Les Halles ein«, meinte Marie.
Fleur war fort. Natürlich war sie das. Wie konnte er das vergessen haben? Er hatte sie selbst erst am vorletzten Abend zu Monsieur Arlettes Etablissement gleich außerhalb von Paris gebracht. Es war ein abgelegenes Landhaus, das nichts an Unterhaltung bot außer der besonderen Kurzweil, die er und Arlette wenigen auserwählten Gästen vorbehielten.
Ein paar Stunden war Valmont dort geblieben, um etwas zu trinken und Arlettes Vorgehensweise zu bewundern. Zu Beginn war Fleur den drei Männern zugeführt worden, die einen guten Preis für sie geboten hatten. Bei allen dreien handelte es sich um vornehme Herren von Vermögen und gesellschaftlichem Ansehen, die Arlette viel bezahlten, um Fleur missbrauchen zu dürfen. Solche Veranstaltungen waren stets profitabel, und das Geld gewährte ihnen beiden einen komfortablen Lebensstil, bis ihre Fabrik die volle Produktionskapazität erreichte.
Wie hatte Fleur sich gewehrt, als ihre Kunden sie in die Enge trieben! Aber nachdem Arlette sie ein bisschen verprügelt und ihr erklärt hatte, was man von ihr erwartete, fügte sie sich in ihre neue Rolle. Sie hatte allen zahlenden Kunden wie auch ihm und Arlette einen geblasen, einen nach dem anderen. Danach trieben sie es richtig mit ihr.
Schließlich war es still geworden, und alle hatten zu Arlette gesehen. Er ging zu dem erschöpften Mädchen, küsste Fleur und sagte ihr, dass sie sterben würde. Sie hatte geflennt, doch Arlette drehte sie um, gab ihr einen Klaps auf den Hintern und scheuchte sie los. Er erzählte ihr, wenn sie schnell genug liefe, könnte sie ihrem Schicksal entkommen.
Was natürlich gelogen war. Es sollte der Jagd bloß die nötige Würze verleihen. Fleur stürmte durch die offene Tür auf die freien Felder hinaus wie die anderen vor ihr. Ihr Kleid wurde den Bluthunden hingehalten, und nachdem sie ihren Duft aufgenommen hatten, ging die Jagd los.
Valmont sah auf seine Hände. Daran hatte so viel Blut geklebt, genau wie an jenem Tag vor drei Jahren – am Tag seines ersten Mordes.
»Monsieur Valmont?«, sprach Agnes ihn an.
»Hmm?« Er blickte zu ihr auf und verdrängte die Erinnerungen. Das Mädchen sah reizvoll verschlafen aus.
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