Die Braut des Shawnee-Kriegers
auf und warf ihn auf die Holzkohle. Ein Funkenschauer stob empor. Er führte sich auf wie ein Narr. Clarissa war stark und hatte viel Selbstvertrauen. Sollte sie wirklich in Gefahr geraten, hatte sie ein ganzes Dorf voller Freunde, die ihr beistehen und sie beschützen würden.
Aber sie hatte so einsam ausgesehen, als sie dort neben der Hütte stand. Wann immer er sonst zur Jagd aufgebrochen war, hatte sie niemals so verletzlich gewirkt. Selbst jetzt noch trieb sein Instinkt ihn, sich auf sein Pferd zu schwingen und im Galopp durch die Nacht zu ihr zu eilen.
Doch dann rief er sich ins Bewusstsein, dass die Menschen im Dorf Fleisch und Häute brauchten. Er durfte seine Pflichten nicht wegen einer sentimentalen Laune vernachlässigen. Wenn alles gut ging, würde der Jagdtrupp in ein paar Tagen singend und pfeifend ins Dorf reiten, die Ponys beladen mit eingesalzenem Wildbret. Clarissa – seine Dancing Fox – würde aus der Hütte kommen und ihn empfangen. Mit einem Jubelschrei würde sie sich in seine Arme werfen, und die Nacht würde der Himmel auf Erden sein. Gemeinsam würden sie über seine Sorgen lachen.
Ein zweiter Wolf hatte sein Geheul angestimmt, er klang näher als der erste. Ja, sie waren auf der Jagd. Wolf Heart war jetzt ganz sicher. Sie sprachen miteinander, nicht mit ihm. Hier und im Dorf war bestimmt alles in bester Ordnung.
Dennoch blieb er noch lange beim Feuer sitzen. Er sah zu, wie die Holzkohle allmählich die Farbe wechselte, von orange über blutrot in ein helles Grau, und er hörte das klagende Heulen des Wolfsrudels aus der Ferne. Seine innere Unrast hielt ihn wach.
Die Tochter der Witwe mochte vielleicht fünf oder sechs Jahre alt sein, doch sie war klein und dünn für ihr Alter. Fiebernd lag sie auf einem Bett aus zerschlissenen Fellen und wimmerte leise. Sie schien gar nicht zu merken, dass sich eine weiße Frau über sie beugte.
Clarissa erschrak, als sie das abgetragene Wildlederhemdchen des Kindes hochschob und den rötlichen Ausschlag sah, der den kleinen Körper bedeckte.
"Wo ist das Mädchen gewesen?" fragte sie mit vor Angst zusammengeschnürter Kehle.
Der unstete Blick der Mutter wich ihr aus. "Nirgendwo, Dancing Fox, nur im Dorf."
"Waren irgendwelche Fremden hier?" Clarissas Herz klopfte. "Jemand, der nicht ins Dorf gehört?"
"Nein." Die Frau fuhr sich unruhig mit der Hand an den Hals, und Clarissa entdeckte am Handgelenk ein Armband aus billigen bunten Glasperlen. Es war so neu, dass die Schnur zwischen den Perlen noch weiß war.
"Wo hast du das her?" Sie packte den Arm der Frau und wies auf das Schmuckstück.
"Von … meinem Mann", antwortete die Witwe zitternd. "Ja, von ihm, vor langer Zeit. Ich trage es immer …"
"Du lügst!" Sie stieß die Frau so heftig von sich, dass das kleine Mädchen auf seinem Bett vor Angst aufschrie. Der klagende Laut brachte Clarissa zur Besinnung. Mit Zorn konnte sie hier gar nichts ausrichten, und er würde auch das Unheil nicht aufhalten, das sich bereits angekündigt hatte.
Die junge Mutter kauerte sich neben das Lager ihrer Tochter und kroch in sich zusammen, als erwartete sie Schläge. Clarissa sah die panische Angst in ihren Augen, und auch der letzte Rest ihrer Wut verflog. Langsam stieß sie den Atem aus. "Ich werde alles tun, was ich kann, um zu helfen", sagte sie müde. "Aber du musst mir sagen, wo du gewesen bist, und mit wem. Es könnte über Leben und Tod für dieses Dorf entscheiden."
Der magere Körper der Frau sackte in sich zusammen. "Es gibt da eine Stelle am Fluss, zwei Tagesreisen mit dem Kanu, wo die französischen Trapper ein Camp haben. Vor dem letzten Neumond war ich mit meiner Tochter dort. Ich brauchte ein paar Dinge, Dancing Fox, und hatte keine andere Möglichkeit, sie zu bekommen. Wenn du hier allein leben und ein Kind aufziehen müsstest, ohne einen Mann, der für euch sorgt, würdest du mich verstehen."
Clarissa blickte hinab auf das fiebernde Kind. In der Hütte war es so warm, dass sie ganz benommen war. "Aber die Dorfgemeinschaft sorgt doch für alle", wandte sie ein. Gerade jetzt war doch ihr Mann auf der Jagd, damit Menschen wie diese Frau und ihr Kind genug zu essen hatten. "Deswegen brauchst du doch so etwas nicht zu tun!"
Den Schmerz in den Augen der Mutter empfand sie wie einen Vorwurf, weil es ihr selbst so gut ging. "Wir müssen nicht hungern", räumte die Witwe ein und umklammerte die kleine heiße Hand ihrer Tochter. "Aber es gibt andere Dinge, schöne Dinge, die man sich verdienen muss
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