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Die Braut des Shawnee-Kriegers

Die Braut des Shawnee-Kriegers

Titel: Die Braut des Shawnee-Kriegers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth Lane
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Inzwischen war ihr dieser tägliche Rhythmus wohl vertraut. Im Morgengrauen stand sie auf, um das Frühstück aus Maisbrei und kaltem Rehfleisch zu machen. Nachdem sie eine Portion vor den Eingang zu Swan Feathers Hütte gestellt hatte, eilte sie gewöhnlich zu den Dorfgärten in der Flussniederung, um ihren Anteil am Jäten und Hacken zu leisten, bevor die Sonne zu heiß wurde.
    Meistens waren auch andere Frauen dort, einige mit ihren Babys und Kleinkindern am Rockzipfel, andere mit heranwachsenden Töchtern. Es wurde viel gelacht und geklatscht, um die mühselige Gartenarbeit ein wenig zu versüßen. Wer war verliebt? Wer war nicht in der Mondhütte gewesen? Wie lange würde Dawn Star noch mit Cat Follower schlafen, obwohl sie sich dauernd in den Haaren lagen? Kein Thema war zu gewagt und keine Angelegenheit zu privat, um besprochen zu werden, während sich die Frauen fleißig um Mais, Bohnen und Kürbisse kümmerten.
    Wenn die Sonne dann über den Baumwipfeln stand, pflegte Clarissa zurück zu Swan Feather zu gehen, um weiter in der Heilkunst unterrichtet zu werden. Dies waren – abgesehen von der Zeit, die sie mit Wolf Heart verbrachte – die schönsten Stunden des Tages für sie. Die Vielzahl der Kräuter, die die alte Frau ihr zeigte, schien kein Ende nehmen zu wollen, und auch nicht die Möglichkeiten ihrer praktischen Anwendung. Jede Antwort öffnete die Tür zu weiteren Fragen. Was war am besten für ein fieberndes Kind? Wie stoppte man die Blutung einer Frau nach der Entbindung? Wann war die günstigste Zeit, Weidenrinde zu ernten? Begierig lernte Clarissa jede Einzelheit, die Swan Feather ihr anbot.
    Die Länge dieser Unterrichtsstunden hing mehr und mehr von Swan Feathers schwindender Kraft ab. Clarissa konnte förmlich zusehen, wie ihre Shawnee-Mutter von Tag zu Tag mehr verfiel, eine immer matter werdende Kokomthena, die ihre Weisheit mit banger Hast an sie weitergab. Das Verhalten der alten mekoche war so schroff wie immer und ihre Forderungen an ihre Tochter noch anspruchsvoller als früher. Doch das Wissen um die Kürze der Zeit, die ihnen blieb, hing über ihnen … eine stumme Drohung, die keine von ihnen in Worte fasste.
    Die Lektion eines jeden Tages dauerte daher immer so lange, bis Swan Feather erschöpft war. Wenn ihre Stimme stockend wurde, half Clarissa ihr in die Hütte und brachte sie auf ihren Felldecken zu Bett. Während die alte Frau ruhte, eilte sie zurück in ihre eigene Hütte, um den Boden zu fegen, den großen runden Kochtopf aufs Feuer zu stellen und die Häute zu bearbeiten, die Wolf Heart von der letzten Jagd mitgebracht hatte. Das Spannen, Schaben und Gerben ging ihr inzwischen flott von der Hand, und so manches Mal musste sie lächeln, wenn sie daran dachte, wie sie sich einst davor geekelt hatte.
    Es war genau so, wie Wolf Heart es vorausgesagt hatte: Nach und nach wurde sie immer mehr eine Shawnee, und jeder Tag trug dazu bei.
    Als Clarissa heute zum Flussufer hinunterkam, hörte sie schon von weitem das Geschnatter der Frauen bei der Gartenarbeit. Das plötzliche Schweigen, das sich bei ihrem Anblick über die Gruppe senkte, schien lauter als ein Schrei.
    Ganz offensichtlich hatten sie über sie geredet.
    Heiße Röte stieg ihr in die Wangen, doch sie hob das Kinn und ging steifbeinig am Ufer entlang zu ihrem Gartenstück. Einigen Frauen sah man an, dass sie sich nur mit Mühe ein Grinsen verbissen. Ein junges Mädchen kicherte laut, um von der Mutter sofort mit dem Ellbogen zum Schweigen gebracht zu werden. Verletzt und verwirrt hockte Clarissa sich hin und begann an einer widerspenstigen Kermesbeerenwurzel zu zerren. Bis jetzt hatte sie immer geglaubt, dass die Frauen des Dorfs sie mochten und akzeptierten. Aber was sollte sie davon halten, wenn sie hinter ihrem Rücken über sie klatschten?
    Wie so oft war es White Moon, die das verlegene Schweigen brach. Sie ging zwischen den Maisreihen durch und blieb bei Clarissa stehen. Dann bückte sie sich und stieß ihren Grabstock neben der hartnäckigen Wurzel in den Boden. "Sei uns nicht böse, Dancing Fox", sagte sie. "Wir haben uns doch nur über dein Glück gefreut."
    "Mein Glück?" Clarissa stolperte rückwärts, als die Wurzel endlich nachgab.
    Das Lächeln ihrer Freundin vertiefte sich. "Wir alle wissen, dass du nicht in der Mondhütte gewesen bist, und wir freuen uns mit dir."
    Wieder errötete Clarissa. Wenn sie es sich hätte aussuchen dürfen, hätte sie ihr Geheimnis gern noch ein Weilchen bewahrt, wie einen ganz

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