Die Braut des Shawnee-Kriegers
spitz zulaufenden Dächern der Rindenhütten, die sich um eine Art Blockhaus scharten.
Als die drei Kanus sich dem Ufer näherten, sah Clarissa die bunte Menge, die zum Fluss heruntergelaufen kam … Kinder aller Altersklassen und Größen, Frauen, von denen einige Säuglinge in den Armen hielten, und auch ein paar Männer. Winkend und schwatzend drängten sie sich am Ufer. Clarissa drehte sich fragend zu Wolf Heart um, aber die Kälte in seinen Augen erstickte die Worte in ihrer Kehle. Sie würde keine Antwort von ihm bekommen … nicht vor seinem Volk.
Aber was machte das schon aus? Sie brauchte keinen Dolmetscher, um zu wissen, dass die Menschen dort am Ufer über sie sprachen, über ihr rotes Haar und ihre blasse Haut. Sie hob das Kinn und kämpfte tapfer das Verlangen nieder, ihr Gesicht in den zerrissenen Röcken zu verbergen.
Wolf Heart und sein pockennarbiger Freund hatten das Kanu in einem Halbkreis ans Ufer gebracht, so dass Wolf Heart herausspringen und das Boot an Land schieben konnte. Clarissa wandte sich erneut um und suchte noch einmal seinen steinernen Blick. Mit einer Kopfbewegung zum Dorf hin gebot er ihr, das Kanu zu verlassen und ihm zu folgen.
Erst als sie aufstehen wollte, merkte sie, wie schwach sie war. Schwarze Punkte kreisten vor ihren Augen. Ihre verkrampften Beine drohten unter ihr wegzuknicken … und hätten es wohl auch getan, wenn der pockennarbige Krieger nicht ihren Arm ergriffen hätte. Er stützte sie, als sie über den Rand des Kanus stieg und auf das sandige Ufer taumelte. Dort ließ seine feste Hand sie vorsichtig los. Sein gespannter Blick folgte ihr, als sie mit erhobenem Kopf und unter Aufbietung ihrer letzten Kraftreserven mit ihren geschwollenen Füßen die Uferböschung erklomm.
Im nächsten Augenblick war sie von den Indianern umringt. Neugierig griffen sie in ihr Haar, zerrten an ihren Röcken und strichen über ihre so sonderbar weiße Haut. Panik erfasste sie. Nur mit Mühe unterdrückte sie einen Schrei, als eine runzlige alte Frau ihr ins Haar griff und so fest daran riss, dass Clarissa schon glaubte, skalpiert zu werden.
Die Angst schlug über ihr zusammen. Sie wirbelte herum und schlug wild um sich. Sie wollte nur fort von hier, fort von diesen gierigen Händen und den aufgeregten Gesichtern. Sie wollte atmen. Aber sie waren überall, es gab kein Entkommen. Clarissa stolperte und verlor das Gleichgewicht.
"Wolf Heart!" schrie sie verzweifelt auf. " Wolf Heart!" Plötzlich war er neben ihr. Er schlang ihr einen Arm um die Taille und bewahrte sie vor dem Sturz. Clarissa hörte seine Stimme, die ruhig, aber fest etwas auf Shawnee sagte. Es zeigte Wirkung. Die Indianer zogen sich zurück und gaben den Weg frei.
Clarissa ließ sich gegen seine Schulter sinken und folgte ihm zitternd. "Schon gut", murmelte er dicht an ihrem Ohr. "Sie tun dir nichts. Sie sind nur neugierig."
"Was geschieht mit mir?" Sie schlang die Finger um seinen Arm.
"Das entscheidet der Rat."
"Und wann?"
"Heute Abend. Vielleicht auch morgen." Er sprach mit gepresster Stimme, die jedoch keine weitere Gefühlsregung verriet. "Du wirst Essen bekommen. Iss alles auf, und ruh dich aus, solange du Gelegenheit dazu hast."
"Und morgen?" Sie hob den Kopf und sah ihm ins Gesicht, ohne die sie umdrängenden Menschen zu beachten. "Sag es mir! Was geschieht dann?"
In seinen Augen regte sich etwas, doch dann wurde sein Blick hart. "Darüber darf ich nicht sprechen", antwortete er. "Du erfährst es, wenn die Zeit gekommen ist."
Clarissas zum Zerreißen gespannte Nerven gingen mit ihr durch. "Du niederträchtiger, gemeiner Wilder!" schrie sie mit einer Wut, die sie sich selbst nicht zugetraut hätte. Ihre Hand fuhr hoch, und sie hätte ihm ins Gesicht geschlagen, wenn er nicht ihr Handgelenk gepackt hätte. Kalter Zorn loderte in seinen Augen.
"Tu das nie wieder", sagte er mit gefährlich leiser Stimme. "Und jetzt setz dich in Bewegung, wenn du nicht wie ein Paket verschnürt fortgeschleppt werden willst."
Seine heftige Reaktion ließ sie zurückweichen, und sie gehorchte wortlos. Die Wut verlieh ihr neue Kräfte, als sie vor ihm her in Richtung des Dorfs ging. Sie spürte seine drohende Gegenwart im Rücken und erkannte sie im ehrfürchtigen Verhalten der Menschen. Wolf Heart war offensichtlich eine Respektsperson in diesem Indianerdorf, doch es war ebenso klar, dass er seinen Einfluss nicht dazu benutzen würde, sie zu retten. Von nun an war sie auf sich allein gestellt.
5. Kapitel
Die
Weitere Kostenlose Bücher