Die Braut des Shawnee-Kriegers
Geräusche und Gerüche des Dorfes hüllten Clarissa ein. Der beißende Rauch brennenden Holzes mischte sich mit dem köstlichen Duft von kochenden Bohnen, Mais, Kürbis und wilden Zwiebeln. Ein großer Hund schnüffelte an Clarissas Bein. Als er ihren fremden Geruch aufnahm, fuhr er knurrend zurück. Aus einer der Hütten hörte Clarissa eine Frauenstimme, die eine Art Wiegenlied summte.
Überall sah sie Menschen. Sie arbeiteten, aßen, ruhten sich aus oder starrten sie einfach nur mit offenem Mund an. Die kleineren Kinder – viele von ihnen splitternackt – tollten ohne jede Scheu um sie herum und lachten sie aus blitzenden Augen an. Auch die Frauen waren nur leicht bekleidet, viele trugen nur lange, fransenbesetzte Hemden aus dünnem Wildleder. Irgendwo in der Nähe wieherte ein Pferd.
"Da sind wir." Wolf Heart blieb vor einer kleinen Rindenhütte stehen. Es gab mehrere davon, alle in der Nähe des größeren Blockhauses, das Clarissa vom Ufer aus gesehen hatte. "Für Gefangene", erklärte er kurz angebunden. "Diese ist für dich."
Verständnislos sah sie ihn an.
"Geh hinein", fuhr er fort, als spräche er mit einem begriffsstutzigen Kind. "Solange du dort drinnen bleibst, bist du sicher."
"Und wenn ich es nicht tue?" fragte sie aufsässig, obwohl ihr gar nicht danach zu Mute war.
"Dann wird man dich wieder einfangen. Man wird dir Füße und Hände auf dem Rücken zusammenbinden, und du wirst die ganze Nacht so verbringen müssen." Sein Blick wurde sanfter, wenn auch nur für einen Augenblick. "Willst du am Leben bleiben, Clarissa?"
Ihr erschöpfter Körper begann zu zittern, und ihre Beine drohten unter ihr nachzugeben. Sie widerstand dem Wunsch, sich in seine Arme sinken zu lassen und an seiner breiten Brust Schutz zu suchen. "Ja", flüsterte sie bebend. "Ich will leben."
"Dann musst du genau tun, was ich dir sage, und zwar dann, wenn ich es dir sage. Ist das klar?"
Sie schaute auf in sein Gesicht und war sich der sie umringenden Indianer kaum noch bewusst. Kurz presste sie die Lippen zusammen, schluckte und nickte dann.
Wolf Heart atmete sichtlich erleichtert auf. Das schwindende Licht ließ seine Züge scharf hervortreten, als wären sie aus Stein gemeißelt. "Geh in die Hütte", sagte er. "Iss alles auf, was man dir bringt, und dann versuch zu schlafen." Seine Augen wurden schmal. "Was auch immer geschieht, oder was du hörst – oder zu hören glaubst –, bleib in der Hütte, und schau nicht hinaus. Hast du mich verstanden?"
Bevor Clarissa noch nicken konnte, schob er sie durch den niedrigen Eingang und ließ die Lederklappe hinter ihr fallen. Panische Angst ergriff sie, als sie in die Dunkelheit taumelte. Schon den ganzen Tag hatte sie gegen Furcht und Verzweiflung ankämpfen müssen. Jetzt, da sie allein war, schlugen diese Gefühle mit aller Macht über ihr zusammen.
Wie ein erschrecktes Kind kauerte sie sich in der Mitte der kleinen Behausung zusammen, die Arme fest um die Knie geschlungen. Was mochte in den dunklen Ecken lauern? Ihre Schultern bebten, und ihre Augen brannten von ungeweinten Tränen.
Die Zeit verging. Sie hätte nicht sagen können, wie lange es gedauert hatte, als sie plötzlich von einem Rascheln am Eingang aufgeschreckt wurde. In dem Feuerschein, der durch die schmale Türöffnung hereinfiel, nahm sie eine Gestalt wahr, die auf sie zukam.
"Wolf Heart?" stieß sie mit erstickter Stimme hervor. Nein, das war nicht Wolf Heart. Es war niemand, den sie kannte.
Clarissa wich in die Hütte zurück. Sie spannte die Muskeln, um beim ersten Anzeichen eines Angriffs bereit zu sein. "Komm ja nicht näher!" fauchte sie die gebeugte, zerlumpte Gestalt an, die sich auf sie zu bewegte. Mit ihren abgebrochenen Fingernägeln kratzte sie eine Hand voll Lehm vom Boden auf. Das war zwar keine großartige Waffe, aber zumindest würde es ihren Gegner überraschen, wenn sie sie ihm ins Gesicht warf.
Sie wollte gerade ausholen, als sie ein dünnes, keckerndes Lachen hörte. Im nächsten Augenblick stieg ihr der betörende Duft gerösteten Fleisches und gekochten Gemüses in die Nase. Sie öffnete die Hand und ließ die Erde zu Boden fallen. Wolf Heart hatte gesagt, dass man ihr Nahrung bringen würde. Die hereinschlurfende Gestalt, die sie so in Angst und Schrecken versetzt hatte, war nichts anderes als eine alte Frau, die ihr etwas zu essen brachte.
Noch immer auf der Hut, zog Clarissa sich weiter in den Schatten zurück. Die Alte sagte etwas auf Shawnee, und ihre Stimme hörte sich an
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