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Die Braut des Shawnee-Kriegers

Die Braut des Shawnee-Kriegers

Titel: Die Braut des Shawnee-Kriegers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth Lane
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nächsten Augenblick hellwach aufzufahren.
    Die Decke war am Vorabend noch nicht da gewesen! Jemand hatte sich im Laufe der Nacht hereingestohlen und sie über sie gelegt – jemand, den sie weder gesehen noch gehört hatte.
    Herzklopfend setzte sie sich auf und rieb sich den Schlaf aus den Augen. Was spielte es schon für eine Rolle, wer ihr eine Decke gebracht hatte. Und was bedeutete es schon, dass ihr jeder Knochen im Leibe wehtat und dass sie vermutlich schlimmer aussah als eine Wetterhexe. Heute wartete ihre Prüfung auf sie, und wenn sie nicht überlebte …
    Ein Geräusch drang an ihre Ohren, das ihr das Blut in den Adern gefrieren ließ. Es waren kreischende und johlende Stimmen, die immer näher kamen.
    Was immer du hörst oder zu hören glaubst, bleib in der Hütte und schau nicht hinaus. Sie erinnerte sich an Wolf Hearts Worte, während sie auf das Getöse draußen lauschte. Ohne guten Grund würde er das nicht gesagt haben. Aber wie konnte sie ihm gehorchen? Wie sollte sie hier ruhig sitzen und abwarten, wenn die Indianer vielleicht schon auf dem Weg zu ihr waren, um sie zu holen? Sie musste sehen, was dort draußen vorging.
    Den Vorhang am Eingang zu heben kam nicht infrage, denn man würde sie dabei ertappen. Aber es gab andere Möglichkeiten, hinauszuschauen – schmale Ritzen in den Wänden der Hütte, durch die das Licht hereinfiel. Clarissa entschied sich für eine Stelle gegenüber der Tür, wo die Geräusche ihr am lautesten erschienen. Sie vergrößerte den Spalt ein wenig mit dem Finger und spähte dann vorsichtig hindurch.
    Zuerst sah sie nur eine Ecke des Blockhauses und ein Stück grauen Himmels über seinem Dach. Dann, als der Lärm noch lauter wurde, erblickte sie plötzlich eine Schar Frauen, Kinder und alte Männer, die um die Ecke des Blockhauses drängten. Sie schrien und heulten und schwangen Stöcke, dicke Knüppel und Ruten in den Händen.
    Es schnürte Clarissa die Kehle zusammen, als sie immer näher kamen. Dann entdeckte sie inmitten des Haufens zwei Shawnee-Krieger, die einen nackten weißen Mann mit sich schleiften.
    Mit einem flauen Gefühl im Magen starrte sie auf den feisten Körper – die schwammige Haut, die so weiß war wie ein Froschbauch. Nur Kopf und Hände waren von der Sonne gerötet. Sie sah das fleischige, bärtige Gesicht, das schüttere Haar und die kleinen Schweinsaugen. Auch ohne seine schmutzigen Kleider erkannte sie den Mann. Sie hatte ihn im Sturm hinter sich gesehen, als das Flachboot gekentert war. Es war Zeke.
    Sie erinnerte sich an sein abstoßendes Gesicht, das er in der finsteren Regennacht über sie gebeugt hatte. Jetzt war es aschgrau, und die Augen quollen in Todesangst hervor. Wann hatten sie ihn wohl gefangen? War er die ganze Nacht in einer der anderen Hütten gewesen, oder hatten die Krieger ihn gerade erst ins Dorf gebracht?
    Und wie lange würde es dauern, bis man sie selbst holte?
    Als die aufgebrachte Menge aus ihrem Blickfeld verschwand, kroch Clarissa hastig zu einem anderen Spalt und verbreiterte diesen ebenfalls ein wenig. Jetzt sah sie ein offenes Feld, wo die Indianer sich in zwei Reihen aufstellten, knapp einen Schritt voneinander entfernt. Ihr Herz setzte aus, als sie begriff, was da vor sich gehen sollte.
    Ein Spießrutenlauf! Ein grauhaariger Veteran in Fort Pitt hatte ihr bei einer von Tante Margarets Abendgesellschaften davon erzählt. Gefangene wurden gezwungen, zwischen den beiden Reihen hindurchzulaufen, während die Indianer mit aller Kraft auf sie eindroschen. Diejenigen, die es tapfer überstanden, durften als Sklaven der Shawnee weiterleben. Wer das nicht schaffte, wurde blutend und zerschunden weggezerrt und ohne Mitleid getötet.
    Clarissa spürte, wie ihr das Blut in den Adern gefror. Das war also die Prüfung, aus der Wolf Heart so ein Geheimnis gemacht hatte. Sollte dieses Schicksal auch ihr bevorstehen?
    Mit klopfendem Herzen presste sie die Stirn an den schmalen Spalt und schaute hinaus auf einen Albtraum, der zur Wirklichkeit wurde. Die Frauen, Kinder und Greise heulten ihre Wut heraus und kreischten wie Furien, wobei sie drohend ihre Knüppel schwangen. Zeke, der bis zum Anfang der Doppelreihe geschleift worden war, bibberte wie ein Säugling. Einer der Krieger stieß ihn mit der Speerspitze vorwärts. Von irgendwoher hörte Clarissa das dröhnende Tamtam der Trommeln.
    Jetzt war der Augenblick gekommen, in dem sie hätte wegsehen sollen. Doch sie konnte ihren entsetzten Blick nicht von dem grässlichen

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