Die Braut des Shawnee-Kriegers
zusammenbrach? Das würde sicherlich geschehen und sein Gefühl würde ihn zu ihr treiben, um sie zu retten. Das wusste er. Doch wenn er diesem Impuls nachgab, würde es das Ende seines Lebens als Shawnee bedeuten.
Hunts-at-Night war aus seiner Hütte getreten. Auf seinen Stock gestützt, stand er wartend am Rande der Lichtung.
Da er wusste, dass er keine andere Wahl hatte, ging Wolf Heart zu ihm und nahm seinen Platz an der Seite des Häuptlings ein.
Hunts-at-Night warf ihm nur einen flüchtigen Blick zu, doch Wolf Heart wusste genau, dass dem klugen alten Mann nichts entging. Mit diesem Spießrutenlauf sollte sowohl Clarissa als auch er auf die Probe gestellt werden.
Clarissa wischte sich die feuchten Handflächen am Rock ab und starrte an den beiden Menschenreihen entlang. Ihr Blick glitt über die verzerrten Gesichter und die drohend erhobenen Waffen bis zu dem bemalten Stab, der am hinteren Ende der Reihe in den Boden gerammt war. Dieser Stab war ihr Ziel. Ihn musste sie erreichen.
Todesangst stieg in ihr auf. Ihre Beine zitterten, als sie den wilden Hass sah, der ihr aus jedem dieser dunklen Augenpaare entgegenschlug. Die Kehle wurde ihr eng. Diese Menschen lechzten nach ihrem Blut, und ihr Hunger würde nur zu bald gestillt werden.
Die Shawnee schätzen Tapferkeit über alles … Egal, was geschieht und wie hart die Schläge auch sein mögen, gib keinen Laut von dir. Das ist die Prüfung.
Sie erinnerte sich an Wolf Hearts Worte und nahm ihren ganzen Mut zusammen. Clarissa hatte gesehen, wie er aus der Hütte gekommen war und seinen Platz neben dem Häuptling eingenommen hatte. Von ihm war keine Hilfe zu erwarten. Es gab nicht den geringsten Zweifel daran, wem die Loyalität dieses Schurken galt. Doch sie wollte jetzt nicht an Wolf Heart denken, nur daran zu überleben.
Schweigen hatte sich über die Lichtung gesenkt. Lediglich ein Rabe ließ vom Wipfel einer Fichte ein heiseres Krächzen hören. Die Menschen schienen auf etwas zu warten … auf ein Signal des Häuptlings vielleicht. Sollten sie doch warten! Sie, Clarissa, hatte lange genug gewartet.
Entschlossen senkte sie den Kopf und rannte los.
Die ersten in der Reihe waren völlig überrumpelt, doch dann gellte es wie ein Schrei aus zahllosen Kehlen, und die Schläge begannen auf Clarissa niederzuprasseln. Sie, die nie zuvor in ihrem verwöhnten jungen Leben geschlagen worden war, empfand jeden Hieb als eine Ungeheuerlichkeit, die ihre Welt aus den Fugen hob. Sie glaubte, vor Schmerz vergehen zu müssen.
Sie wurde langsamer und taumelte. Als ein dorniger Ast ihr Kleid zerriss und eine blutige Strieme auf ihrem Rücken zurückließ, unterdrückte sie einen Schmerzensschrei. Der nächste Schlag traf sie seitlich am Kopf, und zwang sie in die Knie. Jetzt fanden noch mehr Schläge ihr Ziel, und sie brannten wie Feuer auf ihrer Haut.
Überall waren Stöcke und Knüppel, und unter dem Hagel der Angriffe konnte sie nur noch auf allen vieren vorwärts kriechen. Aus einer Kopfwunde lief ihr Blut in die Augen und machte sie fast blind. Sie konnte den bemalten Stab am Ende der Reihe nicht mehr sehen.
Dies alles war Wolf Hearts Werk. Obwohl sie ihn nicht mehr erkennen konnte, wusste sie doch, dass er dort mit seinen rothäutigen Brüdern stand, den stolzen Shawnee-Krieger spielte und ungerührt beobachtete, was man ihr antat. Wenn sie einen Knüppel hätte … Oh, es wäre ein Vergnügen, ihm den mitten in sein hochnäsiges Gesicht zu schmettern!
Wenn sie einen Knüppel hätte …
Rasender, blindwütiger Zorn kochte in ihr hoch. Im nächsten Augenblick war sie wieder auf den Beinen und kämpfte sich voran. Ihre ausgestreckten Hände packten einen dicken Ast und entwanden ihn einer kreischenden alten Indianerin. Mit der Kraft der Verzweiflung begann sie wild um sich zu schlagen und genoss das Gefühl, mit dem Holz auf fremde Körper zu treffen.
Erst der Spießrutenlauf … und dann dieser Verräter, der sich Wolf Heart nennt!
Clarissa schlug um sich wie ein Berserker, wobei sie sich immer weiter vorwärts kämpfte. Noch ein paar Schritte, und sie hatte es geschafft. Sie würde ihn vor sich sehen … oh ja, die Rache würde süß sein! Sollten die Shawnee sie nachher ruhig töten, was sie gewiss tun würden, doch vorher würde sie blutige Vergeltung üben!
In diesem Augenblick traf sie von hinten ein furchtbarer Schlag, und es wurde Nacht um sie. Unter einem weiteren Hagel von Schlägen brach sie zusammen. Im letzten Augenblick streckte sie die
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