Die Braut des Shawnee-Kriegers
beiden jungen Krieger, die Clarissa in die Mitte genommen hatten. Wie eine Königin schritt sie mit hoch erhobenem Kopf zwischen ihnen dahin. Ihr verschmutztes, zerrissenes Kleid bauschte sich im Wind.
Ahnte sie, dass er ebenfalls einer Prüfung unterzogen wurde? Hatte sie begriffen, dass es auch für ihn ein Spießrutenlauf war, dass seine Loyalität auf die Probe gestellt wurde?
Er hatte die halbe Nacht mit dem Rat der Alten diskutiert. Er hatte ihnen vorgehalten, dass seine Gefangene nur ein schwaches Mädchen war, dass man ihr mehr Zeit zur Vorbereitung geben müsste. Aber Hunts-at-Night, der alte, einäugige Häuptling, hatte ihm ernsthafte Vorwürfe wegen seiner Bedenken gemacht.
"Vor vielen Monden nahmen wir dich bei uns auf und machten dich zu einem von uns. Seit dieser Zeit hast du uns und unseren Gesetzen immer den schuldigen Respekt erwiesen. Du hast viele Krieger auf die Jagd geführt und dich im Kampf bewährt. Aber jetzt, mein Sohn, musst du dein Herz prüfen. Du musst dich fragen, ob du wirklich zu uns gehörst, oder ob die junge weiße Frau Zweifel in dir geweckt hat."
"Es gibt keinen Anlass für eine solche Frage!" hatte Wolf Heart leidenschaftlich beteuert. "Ich bin Shawnee mit Leib und Seele."
Das gesunde Auge des alten Häuptlings – das andere war vor langer Zeit der Kralle eines Bären zum Opfer gefallen – hatte im Schein der Fackeln gefunkelt. "Und wenn du dir eine Frau nimmst – du weißt, dass die Zeit dafür bald reif ist –, wirst du sie unter den Frauen unseres Volkes auswählen?"
Hatte er gezögert? Gewiss nicht länger als einen Herzschlag. "Ich werde eine Shawnee zur Frau nehmen." Wolf Hearts Stimme hatte ehrlich und überzeugt geklungen.
Über das faltige Gesicht des Häuptlings war ein Lächeln geglitten. " We-sah. Das ist gut. Wenn die weiße Frau morgen den Spießrutenlauf macht, wirst du neben mir stehen und zuschauen. Dann können alle sehen, dass deine Zunge mit den Worten deines Herzens spricht."
Wolf Heart hatte sich die schwersten Vorwürfe gemacht, als er den Rat verließ. Er war ziellos durch die Nacht gewandert und hatte niedergeschlagen zu den Sternen emporgesehen. Als er Clarissa gefangen nahm, hatte er geglaubt, das Richtige zu tun. Gewiss, er hätte sich auch anders entscheiden können. Dann wäre sie jetzt bei ihrer Familie in Fort Pitt. Sie wäre glücklich und in Sicherheit, und es stände ihr nicht der schrecklichste Tag ihres jungen Lebens bevor.
Er war um das Dorf herumgewandert und dann an der dösenden Wache vorbei zu den Gefangenenhütten gegangen. Der große weiße Mann, den sie aus dem Fluss gezogen hatten, wimmerte in der Dunkelheit, aber aus Clarissas Hütte drang kein Laut.
Mit klopfendem Herzen hatte Wolf Heart sich niedergebeugt und den Vorhang aus Rehleder angehoben, der vor dem Eingang hing. Im hellen Mondlicht hatte er seine Gefangene gesehen, die sich auf der nackten Erde zum Schlafen zusammengerollt hatte.
Lange hatte er in das unschuldige schlafende Gesicht geblickt, auf die schlanken Linien ihres Körpers und das auf dem Boden ausgebreitete Haar. Da die Nacht kühl war, hatte er aus seiner eigenen Hütte die neue rote Decke geholt.
Neben ihr kniend, hatte er die Decke entfaltet und sie sanft über die Schlafende gebreitet. Als sie sich nicht rührte, hatte er behutsam die Ränder der Decke unter ihre Hüften, Schultern und Beine geschoben, damit sie ein bisschen weicher lag.
Ihr Atem war ruhig und gleichmäßig gewesen und ihr Körper fast so leicht wie der eines Vogels. Als sie im Schlaf aufseufzte, hätte er sie am liebsten in die Arme genommen und an die Brust gedrückt, um sie zu trösten. Doch es wäre ein falscher Trost gewesen. Er konnte nicht verhindern, was am Morgen geschehen würde, ihr nichts versprechen. Auf Clarissa Rogers wartete der Spießrutenlauf, und wenn ihr Mut sie verließ, wäre es besser gewesen, sie im Fluss ertrinken zu lassen.
Ein lauter Ruf von der Lichtung brachte Wolf Heart in die Gegenwart zurück. Die beiden Reihen formierten sich erneut, und die Menschen schrien ihre Wut zum Morgenhimmel empor. Da war nicht einer unter ihnen, der dem weißen Mann keinen Kummer verdankte – den Verlust eines geliebten Menschen, eine geplünderte, niedergebrannte Heimstatt, eine vernichtete Ernte. Der Spießrutenlauf war die Waffe jener, die nicht auf den Kriegspfad ziehen konnten, und diese würden sie nun gegen Clarissa wenden.
Was würde er tun, wenn der erste Schlag ihre zarte Haut traf? Und was, wenn sie
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